Die Geburtsstation soll bleiben
Bad Belzig kämpft um den Erhalt der schließungsbedrohten Abteilung des Krankenhauses
Im Zentrum von Bad Belzig überspannen dieser Tage Transparente die Straßen. Darauf zu sehen ist eine Krabbelgruppe. Erst beim genaueren Hinschauen erkennt man, dass auf einige der abgebildeten Babykörper die Köpfe älterer Herren montiert sind. Man erkennt Wolfgang Blasig, den Landrat von Potsdam-Mittelmark, Jann Jakobs, den Oberbürgermeister von Potsdam, und Steffen Grebner, den Geschäftsführer der Potsdamer Klinik Ernst von Bergmann. Sie werden dafür verantwortlich gemacht, dass das Krankenhaus von Bad Belzig bald keine Geburtsstation mehr haben könnte.
Ihre Argumente: Eine qualifizierte, durchgängig vorhandene ärztliche Versorgung und die Bereitstellung von Hebammen könne aufgrund der geringen Geburtenanzahl nicht mehr gewährleistet werden. Man befürchtet Haftungsansprüche an die Geschäftsführung und die medizinische Leitung, wenn die Geburtsstation aufrecht erhalten wird.
Die Gesundheitsministerin Diana Golze (LINKE) hat sich am 28. Januar dazu hinreißen lassen, die Schließung auf einer Pressekonferenz in Bad Belzig zu verkünden. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hegte sie keinen Zweifel an den Äußerungen der Geschäftsführung und bestätigte die Rücknahme des Versorgungsauftrages an das Ernst von Bergmann-Klinikum zum 31. März diesen Jahres.
Inzwischen hat das Gesundheitsministerium nach Gesprächen mit Bürgermeistern der betroffenen Region allerdings den Termin der endgültigen Rücknahme des Versorgungsauftrages - sprich des Betreibens der Geburtsstation - in den Juni gelegt. Bis dahin will sich das Ministerium Zeit nehmen, den Antrag der Krankenhausleitung zur Schließung der Station zu prüfen.
Hoffnungsschimmer im Sinne des Erhaltes der Geburtsstation sind das Bürgerbündnis Bad Belzig, die Bürgermeisterin von Bad Belzig, Frau Hannelore Klabunde-Quast (parteilos), Fraktionen des Kreistages Potsdam-Mittelmark und die Potsdamer und Bad Belziger Stadtverordnetenversammlungen. Letztere haben sich in Beschlüssen für den Erhalt der Einrichtung in Bad Belzig ausgesprochen. Das Bürgerbündnis organisierte Demonstrationen bzw. Kundgebungen, die von den Bad Belzigern auch unterstützt wurden. Es startete eine Onlinepetition mit inzwischen über 1700 Eintragungen. Aber damit nicht genug, bringt es sich ein bei der Suche nach Hebammen und Stationsärzten und ist dabei durchaus erfolgreich.
Es gibt auch gute Gründe für das Engagement. Schließlich hält die Kur-und Kreisstadt Bad Belzig, ein Mittelzentrum im südwesten Brandenburgs, die einzige Geburtsstation des Landkreises vor. Sollte sie schließen, müssen die Schwangeren auf Potsdam, Brandenburg/Havel oder Wittenberg ausweichen. Verbunden damit sind teilweise Fahrzeiten von bis zu 60 Minuten, gefährlich lange bei Risikogeburten. Für manche junge Familie gegebenefalls ein Argument, sich eben nicht in der Flämingregion niederzulassen.
Die Krankenhausführung hält bisher stur an den bereits im Dezember gefassten Beschluss fest und macht den Eindruck zu versuchen, irgendwie über die Zeit kommen zu wollen.
Angesetzte Expertenrunden, bei denen die Klinik sowie ärztliche Verantwortungsträger sowie Hebammen zu Lösungen kommen wollen, werden von ihr kurzerhand abgesagt.
Die Kinderärzte Bad Belzigs haben dem Geschäftsführer mehrfach Vertragsentwürfe zur Absicherung der ärztlichen Versorgung vorgelegt, andere Mitstreiter haben Äzte von außerhalb angeworben. Das alles scheint an Grebner abzuperlen wie an einer Teflon-Beschichtung. Er zieht sich immer wieder zurück auf die Befürwortung des sogenannten skandinavischen Modells, nach dem diese Einrichtungen zentralisiert werden. Doch Skandinavien ist geprägt von Landstrichen, deren Bevölkerungsdichte oft noch weit unter der liegt, die der Fläming aufweist. Im Grunde geht es wohl nicht um das Modell aus Schweden, sondern um Geld, das man nicht ausgeben will und um Veranwortung, die man nicht tragen will.
Ob aufgrund der Verschiebung der endgültigen Rücknahme des Versorgungsauftrages Grebners Plan aufgehen kann, muss jetzt wohl wieder als offen betrachtet werden. Inzwischen liegt ihm ein Übernahmeangebot der Brandenburger Klinik zum Betreiben der Bad Belziger Geburtshilfe und der Gynäkologie vor, erarbeitet vom Chefarzt der Frauenklinik Dr. Peter Ledwon. Hierzu wird er sich verhalten müssen!
Und was unternimmt der aus dem Speckgürtel Berlins stammende Landrat Blasig? Eigentlich müsste er, ginge es ihm um die Daseinsvorsorge des südlichen Landkreises, mit der Bad Belziger Bürgermeisterin auf der anderen Seite der »Barrikade« stehen. Stattdessen hört man von seiner Seite nur Warnungen vor verfrühtem Optimismus, etwa als die Potsdamer Stadtverordneten als Vertreter des Haupteigners der Klinik einstmmig für den Erhalt der Station stimmten. Oder er wiegelt ab, verzögert und, was schwerwiegender ist, er verschwieg bereits im Januar dem Aufsichtsrat der Krankenhausgesellschaft, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist, die Schließungsabsicht. Obwohl sie bereits durch die Geschäftsführung beschlossen war.
Thomas Singer, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Kreistag Potsdam-Mittelmark, hat dem Landrat Fragen über seine Bemühungen bei der Umsetzung des Kreistagsbeschlusses vom 26. Februar eingereicht. Unter anderem will er wissen, ob der Hauptgesellschafter von dem Geschäftsführer konkrete Aktivitäten zum Erhalt der Entbindungsstation gefordert hat und mit welchen Forderungen er diese akute Frage der Daseinsvorsorge im Sinne der Bad Belziger Mütter in der bevorstehenden Aufsichtsratssitzung am 27. März vertreten wolle. Eine Antwort steht derzeit noch aus.
Das Bürgerbündnis ist zur Zeit dabei, zu diesem Termin eine Postkartenaktion zu organisieren, mit der Blasig und Jakobs auffordert werden, die Beschlüsse des Kreistages bzw. der Potsdamer Stadtverordneten zum Erhalt der Geburtenstation umzusetzen. 1400 Postkarten werden dafür bereit gestellt. Zudem wird jedes Aufsichtsratsmitglied persönlich angeschrieben.
Trotz der Verlängerung bis Juni bleibt die Tatsache bestehen, dass das, was erst einmal geschlossen wurde, nur mit großer Mühe wieder aktiviert werden kann. Vielleicht besinnt man sich deshalb in den kommenden Wochen doch noch darauf, was die LINKE-Fraktion von Bad Belzig in einer Pressemitteilung bereits am 24. Februar prophezeite: »Nach einer Schließung der Geburtshilfe wird viel Geld erforderlich sein. Fördermittel für Projekte, um junge Familien hier zu halten, um einen neuen Kreißsaal in Potsdam zu bauen, um Apartments und Shuttles zu bezahlen. Warum dann nicht zur Aufrechterhaltung dieses Angebotes das Geld vor Ort einsetzen?«. Dann sollten die Kinder auf den Transparenten doch nicht zu den letzten gehören, die in Bad Belzig geboren wurden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.