Merkel, Tsipras und Athens »neuer Mix«

Die einen sehen Tauwetter, die anderen den gelben Blazer der Kanzlerin. Ein linker Premier auf Staatsbesuch - und was uns Ente mit Brandenburger Gemüse darüber sagen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Als linker Premier hat man es nicht einfach. Als Alexis Tsipras am Montag noch gar nicht in Berlin gelandet war, war schon Thema, wo der SYRIZA-Politiker bei seinem Antrittsbesuch in Berlin absteigt. Neugier darf danach fragen, es wohnt dem aber auch eine Vermutung inne, die politisch aufgeladen ist: Wie teuer darf das Hotel eines Staatsgastes sein, dessen Landesbezeichnung hierzulande praktisch nicht mehr ohne den Zusatz »pleitebedroht« geschrieben wird?

Am Dienstag konnte man dann lesen, dass es sich um zwei Zimmer in einer Herberge am Potsdamer Platz gehandelt haben soll: Normalpreis je 319 Euro. Bezahlt übrigens von der Bundesregierung, was bei Antrittsbesuchen üblich ist. Auch vom gelben Blazer der Kanzlerin wurde berichtet. Und musste Merkel wirklich warten, weil Tsipras erst bei einer kleinen Solidaritätskundgebung stoppte?

Was wie Boulevardisierung aussieht, erhält vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um die europäische Krisenpolitik einen anderen Charakter. Dass Merkel am Nachmittag auf den roten Teppich mit dem SYIRZA-Mann scherzte, dass die CDU-Vorsitzende bei der Pressekonferenz nach dem ersten Teil des Gesprächs einen eher fahrigen Eindruck machte und dass Tsipras so viel freundlicher wirkte – all das wurde umgehend auf seinen politischen Gehalt hin ausgedeutet. Mit welchem Ziel, mit welchem Gewinn?

Die Zeitungen in Griechenland haben das Treffen in Berlin als Beginn einer Art Tauwetterperiode gedeutet – mit wachsender politischer Entfernung zu SYRIZA aber ebenso als »Stunde des Realismus«, heißt: Die Regierung werde nun Abstriche von ihren Forderungen machen. Tsipras hat das in Berlin keineswegs so geäußert. Er bekräftigte, dass Athen die Verpflichtungen erfüllen wolle, auch jene, die man nicht gewollt und kritisiert habe. Er forderte erneut andere Prioritäten: »Wir brauchen einen neuen politischen Mix.« Tsipras kritisierte das bisherige »Rettungsprogramm« und verwies auf »schreckliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft« sowie enorme soziale Schäden durch den Kürzungskurs. Auch die Forderung nach Wiedergutmachung für erlittenes NS-Unrecht bekräftigte er.

Letzteres wies Merkel ebenso zurück, wie sie auch in anderen Fragen hart blieb. Die Kanzlerin drängte Griechenland erneut, Maßnahmen umzusetzen, die in Berlin als »Reformen« bezeichnet werden – auch bei SYRIZA wird von Reformen gesprochen, was die unterschiedlichen Politikansätze aber verwischt. Über das, was in Athen geplant werde, müssten EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds befinden, so Merkel.

Dass nach dem mehrstündigen Gespräch von »guter und konstruktiver Atmosphäre« die Rede war, gehört zu den Usancen eines Politbetriebs, in dem es einen großen Unterschied macht, ob ein Antrittsbesuch stattfindet oder ein Gipfel, bei dem Entscheidungen anstehen. Solche waren von Tsipras’ Besuch nicht zu erwarten. Und weil auch das interessieren könnte: Es gab angeblich Ente mit Brandenburger Gemüse.

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