Ein bisschen Frieden dank der Landkriegsordnung
Die Versteigerung von Hans-Peter Kuhnerts Haus in Markgrafpieske scheint vom Tisch zu sein
Hans-Peter Kuhnert hat statt eines Personalausweises der Bundesrepublik Deutschland nun einen gelben Staatsangehörigkeitsausweis. Das ist ein A4-Blatt, vom Landrat persönlich signiert. Kuhnert ist der festen Überzeugung, dass dieses gelbe Stück Papier ihn und sein Haus gerettet hat. Warum?
Kuhnert hat seit etwa 17 Jahren Streit mit dem Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umland. Es geht um Gebühren für eine Wasseruhr, die gar nicht vorhanden ist, denn sie wurde damals wegen nicht bezahlter Rechnungen ausgebaut. Die finanziellen Forderungen an Kuhnert haben sich inklusive Mahngebühren und Gerichtskosten auf rund 70 000 Euro summiert. Weil der mittlerweile 70-Jährige nicht wusste, wie und warum er bezahlen soll, stand seit 2014 sein Geburtshaus in Markgrafpieske (Oder-Spree) zur Versteigerung.
Kuhnert hat alles versucht. Er hat geklagt und sich verteidigt, hat Bittgesuche geschrieben. Letztlich blieb das alles erfolglos. Unmittelbar vor dem jüngsten Versteigerungstermin im Februar 2015 griff Kuhnert zum letzten Mittel: Unter Berufung auf die Haager Landkriegsordnung von 1907 gab er seinen Personalausweis ab und beantragte den genannten Staatsangehörigkeitsausweis.
Artikel 46 der Haager Landkriegsordnung besagt: »Die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger und das Privateigentum sowie die religiösen Überzeugungen und gottesdienstlichen Handlungen sollen geachtet werden. Das Privateigentum darf nicht eingezogen werden.« Genau darauf, dass Privateigentum nicht eingezogen werden dürfe, pochte Kuhnert dann. Was geschah? Am Tage der Vollstreckung, dem 3. Februar 2015, wurde nicht vollstreckt. »Der Zuschlag werde versagt«, heißt es im Gerichtsbeschluss. »Der Gläubiger muss mit seinen durchaus berechtigten Ansprüchen zugunsten des Schutzes von Leben und Gesundheit des Schuldners zurücktreten.« Zu diesem Beschluss hat der Zweckverband allerdings zwischenzeitlich einen Befangenheitsantrag gestellt.
Am 6. März bescheinigte das Landesamt für Soziales und Versorgung Kuhnert, dass er schwerbehindert sei. Das Amt datiert eine Behinderung von 50 Prozent zurück auf das Jahr 2000. Damit komme das Landesamt der Wahrheit schon ein Stück näher, meint Kuhnert. Tatsächlich sei es so, dass laut eines seit 2014 vorliegenden Gutachtens seine Behinderung sogar bei 80 Prozent liege. Darum formulierte Kuhnert dieser Tage schon wieder einen Widerspruch in dieser Sache.
Dennoch atmet Kuhnert erst einmal vorsichtig auf. Nicht zuletzt die Berichterstattung im »nd« habe dazu beigetragen, dass er wieder hoffen könne auf ein normales Leben ohne Angst vor Obdachlosigkeit, bedankt er sich. Er hatte die Zeitungsberichte jedes Mal kopiert und an alle am Rechtsstreit Beteiligten verteilt. Die Versteigerung seines Wohnhauses scheint vom Tisch. Allerdings bleibt Hans-Peter Kuhnert nun immer noch auf den 70 000 Euro Schulden sitzen.
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