Wirbelsturm?
Behnam T. Said über IS und Salafisten
Großangelegte Zerstörungen jahrtausendealter Kulturgüter in Irak lösen weltweit Entsetzen und Wut aus. Der Hamburger Verfassungsschützer Behnam T. Said versucht, Entwicklung und Ideologie des Dschihadismus zu erklären. Um es vorweg zu nehmen: Die »Deutschen Brigaden«, die uns der Verlag im Untertitel des Buches angstheischend präsentieren will, gibt es nicht. Im dritten Kapitel, das sich mit Bundesbürgern im syrischen Dschihad befasst, geht der Autor selbst davon aus, dass »nicht alle Deutschen vereint unter dem Dach einer bestimmten Miliz kämpfen«.
Die sich widersprechenden Zahlen der nach Syrien ausgereisten Deutschen bewegten sich 2013/14 zwischen 40 und rund 400 Kämpfern. Gesicherte Erkenntnisse liegen nicht vor. Das hält den Autor nicht davon ab, die wenigen prominenten Dschihadisten, so Philip B. aus Dinslaken und Ex-Rapper Deso-Dogg alias Denis Cuspert, lang und breit als Idealtypen einer zunehmenden Radikalisierung der deutschen Salafistenszene darzustellen. Immer wieder geht der Verfassungsschützer mit dem Autor durch, dem mal spekulativ Sachverhalte »auffallen«, der an anderer Stelle ohne Beleg »annimmt« und schließlich auch ganz explizit fordert, die Rückkehrer zu erfassen und sie im Auge zu behalten. Das inzwischen verbotene Netzwerk Millatu Ibrahim charakterisiert er als Wirbelsturm, der in Windeseile über Deutschland hereingebrochen sei. Vermutlich werden die wenigsten Leser etwas von diesem Wirbelsturm mitbekommen haben. Der alarmistische Ton ersetzt leider die nötige analytische Schärfe.
Trägt das Buch zum besseren Verständnis von Islamischem Staat und al-Qaida Milizen bei? Ja und nein. Die Konzentration auf ideologische Orientierungen ist erhellend. Durch seine akribische Recherche auf Dschihadistenforen im Internet und die Übersetzung vieler Videos und Dokumente, bekommt man tatsächlich einen guten Einblick in die Gedankenwelt dieser Szene. Auch ideologische Differenzen arbeitet der Autor gut heraus. Externe Faktoren bleiben jedoch unterbeleuchtet, die Macht und Herrschaftsinteressen der Groß- und Regionalmächte sowie deren Rolle bei der Entstehung, Finanzierung und Bewaffnung militanter Gruppen wird kaum angesprochen. Wie bei vielen anderen Publikationen zum Thema bleibt am Ende der Eindruck, dass es sich bei den militanten Formationen um endogene Formen der Radikalisierung handelt und diese auch mit dem Islam vereinbar seien.
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