Resolutionen statt Politik
Thüringer Richtungsstreit in der »Alternative für Deutschland« spaltet die gesamte Partei
Nach außen bemühten sich die Parlamentarier der Alternative für Deutschland (AfD) auf der jüngsten Plenarsitzung im Thüringer Landtag, Alltag zu demonstrieren. Dabei ist der Machtkampf zwischen zwei Flügeln voll entbrannt, seit AfD-Fraktionschef Björn Höcke der Parteiführung vorgeworfen hatte, sie habe das ursprüngliche Ziel einer grundsätzlichen Wende verraten. 1650 AfD-Mitglieder haben Höckes »Erfurter Resolution« seither unterzeichnet. Annähernd so viele Parteimitglieder setzten ihre Unterschrift inzwischen unter eine wenige Tage später formulierte Gegenresolution, die vor populistischen Tendenzen warnt. Zu den Erstunterzeichnern der »Deutschland Resolution« gehören Jens Krumpe und Oskar Helmerich. In ihrem Papier heißt es: »Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Wer die sogenannte Erfurter Resolution unterschreibt, dem passt die Richtung der AfD nicht. Der will eine andere AfD, eine AfD der flachen Parolen und der schrillen Töne. Der will die Partei auf Provokation und Protest verengen. Der schlägt allen Parteimitgliedern ins Gesicht, die derzeit sachlich und konstruktiv an einem Parteiprogramm arbeiten, dessen thematische Breite einer Volkspartei würdig ist.«
Höcke hatte kürzlich erklärt, seine Resolution »will nicht spalten«. Ohnehin sehe er in seiner Partei keinen Kampf zwischen einem konservativen und einem wirtschaftsliberalen Flügel, sondern bestenfalls Unterschiede zwischen solchen, die die Politik in Deutschland wirklich reformieren wollten, und solchen, die sich dem etablierten Politikbetrieb schnell anpassen wollten. Gemeinsam mit seinen Mitunterzeichnern – darunter auch Thüringer AfD-Abgeordnete wie Corinna Herold, Stefan Möller und Wiebke Muhsal – warnt er davor, dass »das Projekt« Alternative für Deutschland »in Gefahr« sei. Sie diagnostizieren mit dem Papier den Versuch einiger AfD-Mitglieder, die etwa zwei Jahre alte Vereinigung »zu einer technokratisch ausgerichteten Partei« zu machen und fordern unter anderem, die AfD wieder »als grundsätzliche, patriotische und demokratische Alternative zu den etablierten Parteien« auszurichten. Das bedeute auch, die Partei zu einer »Bewegung unseres Volkes gegen die Gesellschaftsexperimente der letzten Jahrzehnte« zu machen. Die AfD müsse eine »Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands« sein.
Durch Medienberichte und Parlamentsgerüchte geistern inzwischen die Gerüchte, die Thüringer AfD-Fraktion stehe vor der Spaltung. Die Mehrheit der AfD-Parlamentarier habe Krumpe und Helmerich demzufolge in einem Brief aufgefordert, ihre Positionen in den Fachausschüssen des Parlaments zu räumen. Zudem soll ihnen mit dem Ausschluss aus der Fraktion gedroht worden sein.
Am Donnerstag der vergangenen Woche wollte offiziell niemand aus der Fraktion zu diesen Meldungen Stellung nehmen. Eine Fraktionssprecherin sagte lediglich, man kommentiere grundsätzlich keine internen Angelegenheiten. Die Fraktion sei »voll arbeitsfähig«. Die Existenz eines Schreibens an Krumpe und Helmerich wollte sie weder bestätigen noch dementieren, während es in Fraktionskreisen hieß, dass es solches Schreiben gibt.
Der AfD-Co-Vorsitzender Konrad Adam hält es angesichts dieses Richtungsstreites in der Partei zumindest für nötig, die Parteimitglieder ernsthaft zu ermahnen. In einem Brief, der am Freitag an alle Parteimitglieder ging, schreibt er, der aktuelle Machtkampf habe der Partei massiv geschadet. Parteichef Bernd Lucke rechnet trotz allem nicht mit einem Auseinanderbrechen der AfD in eine bürgerlich-liberale und eine nationalkonservative Partei. »Das würde ich ausschließen«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Frauke Petry, neben Adam und Lucke das dritte Mitglied im Führungstrio der AfD, hatte Lucke diese Woche in einem Interview aufgefordert, mehr »Willen zur Integration« unterschiedlicher Meinungen und Flügel zu zeigen.
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