CSU-Politiker Gauweiler legt Ämter nieder
Politiker kritisiert Euro-Rettungspolitik und innerparteiliche Differenzen / Auch Bundestagsmandat niedergelegt
Update 13.00 Uhr: Nach dem Rücktritt von Parteivize Peter Gauweiler sehen Bayerns Oppositionsparteien CSU-Chef Horst Seehofer in einer massiven Krise. »Das System Seehofer bröckelt an allen Ecken und Enden. Es wird einsam um den Regierungschef«, erklärte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, am Dienstag.
Seehofer müsse nun für seine eigenen Fehlentscheidungen büßen, sagte der SPD-Politiker. »Gauweiler sollte ein gutes Ergebnis bei der Europawahl sichern. Dann brachte er Seehofer Stimmenverluste und nichts als Ärger.«
Grünen-Landesvorsitzender Eike Hallitzky erklärte: »Was für eine krachende Niederlage für Seehofers Taktik, alle politischen Lager zugleich befriedigen zu wollen. Die Strategie, gleichzeitig rechts und links zu blinken, um möglichst viele Wählerstimmen zu angeln, ist gnadenlos gescheitert.« Die CSU müsse sich endlich entscheiden, wo sie stehe.
Hubert Aiwanger, Chef der Landtagsfraktion der Freien Wähler, kommentierte Gauweilers Schritt mit den Worten: »Besser wäre es, diejenigen würden ihr Bundestagsmandat niederlegen, die den Griechenlandpaketen zugestimmt haben.«
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Peter Friedrich äußerte Verständnis für seinen Parteifreund. »Das ist ein Protest gegen die Euro-Politik, die ich verstehen kann. Gauweiler ist ein Freigeist mit klarer Haltung«, sagte Friedrich der »Passauer Neuen Presse« (Mittwoch). »Ich verstehe seinen Schritt und seinen Protest.« Auf die Frage, ob Gauweilers Schritt ein Affront gegen Parteichef Seehofer sei, antwortete Friedrich: »Affront würde ich nicht sagen. Er bringt aber natürlich seine Kritik an der politischen Ausrichtung der CSU zum Ausdruck.«
Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) wirbt sogar für einen Parteiübetritt Gauweilers. »Wir laden Herrn Gauweiler herzlich ein, der AfD beizutreten, und begrüßen es, dass er konsequent genug ist, das Versagen der Union in Sachen Eurorettungspolitik durch einen Verzicht auf alle seine Ämter in der Öffentlichkeit deutlich zu machen«, sagte der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke am Dienstag.
Auch andere Politiker, die dem Kurs der Bundesregierung in der Finanzkrise kritisch gegenüberstünden, könnten in der AfD eine neue politische Heimat finden, fügte Lucke hinzu. Er nannte namentlich den ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und den CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach.
CSU-Politiker Gauweiler legt Ämter nieder
Berlin. Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler gibt wegen eines offenen Streits mit Parteichef Horst Seehofer über die Euro-Krisenpolitik sein Amt auf. Er verzichtet außerdem auf sein Bundestagsmandat, wie der 65-Jährige am Dienstag mitteilte. Als Grund gab Gauweiler unter anderem an, die Parteispitze habe von ihm verlangt, gegen seine persönliche Überzeugung im Bundestag für die Verlängerung der Griechenland-Hilfen zu stimmen.
»Wer Peter Gauweiler zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden wählte, wusste genau, welche Positionen in Sachen Euro und Rettungspolitik damit gewählt wurden«, heißt es in seiner Erklärung. Von ihm sei aber öffentlich verlangt worden, dass er - »weil CSU-Vize« - im Bundestag für das Gegenteil seiner Haltung abstimme. »Dies ist mit meinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar.«
Gauweiler ist seit Jahren ein offener Kritiker der Euro-Rettungspolitik und zog deswegen auch mehrfach vor das Bundesverfassungsgericht. Der Jurist war 2013 auf Initiative von CSU-Chef Horst Seehofer in die Parteispitze gewählt worden. Dem Bundestag gehörte Gauweiler seit 2002 an.
Seehofer erklärte zum Rücktritt seines Parteivizes: »Ich respektiere die Entscheidung von Peter Gauweiler und danke ihm für die geleistete Arbeit für unsere Partei.« Er kündigte an, die CSU werde ihre Europapolitik weiter am sogenannten Europaplan der Partei ausrichten. Dieser war 2013 auch unter Mitwirkung Gauweilers erarbeitet worden.
Zwischen Gauweiler und Seehofer war es zuletzt zu einem heftigen Streit gekommen. Ende Februar hatten im Bundestag eine ganze Reihe von CSU-Abgeordneten gegen die Verlängerung der Griechenland-Hilfen gestimmt, unter ihnen auch die Parteivize Gauweiler und Peter Ramsauer. Vor drei Wochen griff Seehofer die Abweichler in einer CSU-Vorstandssitzung deshalb scharf an und erklärte, er werte jede Gegenstimme als Stimme gegen sich persönlich. Die CSU müsse sich entscheiden: »Ihr oder ich?«
Gauweiler verwies in seiner Erklärung darauf, dass auch in CSU-Programmen etwa eine Finanzierung von Euro-Krisenstaaten über die Notenpresse abgelehnt werde. Genau dies mache aber die Europäische Zentralbank (EZB). Auch im Falle Griechenlands sei ihm unklar, warum seine Gegenstimme gegen die Verlängerung des »offensichtlich völlig wirkungslosen« Hilfsprogramms ein Verstoß gegen die CSU-Parteidisziplin gewesen sein solle.
Er habe seinen Wählern Parteibeschlüsse zur Euro-Politik als seine Zielsetzung vorgestellt. »Wenn dies - wie geschehen - öffentlich in einen kategorischen Gegensatz zur Parteilinie gestellt wird, muss ich die Konsequenzen ziehen.«
Wegen des Konflikt mit Seehofer war Gauweilers Wiederwahl als CSU-Vize auf dem Parteitag im Herbst zuletzt als zusehends fraglich erschienen. Mitglied der CSU ist Gauweiler seit 1968. Er galt als »Ziehkind« des einstigen Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß. dpa/nd
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