Jung, griechisch, ausgenutzt
Die anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit in Hellas sorgt für Probleme nicht nur bei den Betroffenen selbst
Trotz des von Ex-Ministerpräsident Antonis Samaras beschworenen Aufschwungs liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland immer noch bei 51,2 Prozent (Stand Dezember 2014). Und solange der Regierung von Alexis Tsipras durch Brüssel die Hände gebunden - sprich jede Maßnahme zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Landes untersagt wird - ändert sich daran nichts. Das wissen auch die Unternehmer in Griechenland. Sie nutzen die Situation entsprechend aus. Ganze 511 Euro brutto im Monat beträgt der von Samaras 2012 gesenkte Mindestlohn für Menschen unter 25 Jahren. Das sind volle 240 Euro weniger als der bis dahin geltende, von Gewerkschaften und Arbeitgeberverband tariflich vereinbarte Mindestlohn von 751 Euro.
Selbst dieser Niedriglohn wird von vielen Arbeitgebern höchst legal unterlaufen. So ist es zum Beispiel Usus, dass Beschäftigte in der Gastronomie auf Stundenbasis bezahlt werden. Und zwar mit drei Euro je Stunde.
Ähnlich schlecht sind all jene dran, die über diverse, von der EU mitfinanzierte Programme beispielsweise bei griechischen Gemeinden eine Stelle gefunden haben. Im Zuge der aufgezwungenen Sparmaßnahmen entlassene Angestellte werden, weil ihre Arbeit, wie die Pflege der städtischen Grünflächen, ja von irgendjemand geleistet werden muss, vorzugsweise durch befristet beschäftigte (Langzeit-)Arbeitslose zu Salären von um die 450 Euro netto im Monat ersetzt. Und selbst wer das Glück hat, in seinem studierten Beruf arbeiten zu können, wird mit etwas abgefunden, was unter Beachtung der griechischen Lebenshaltungskosten bestenfalls die Bezeichnung Taschengeld verdient. Beispiele, wie das des 28-jährigen Fotis, der nach vier Jahren Fachhochschulstudium gerade einmal 630 Euro netto als Angestellter einer Buchhaltungsdienstleistungsfirma bekommt, sind definitiv keine Einzelfälle.
Kein Wunder also, dass so mancher sein Glück lieber im europäischen Ausland sucht. Etwa 200 000 junge, meist gut ausgebildete Menschen sind laut einer Veröffentlichung der Zeitung »Guardian« in den Jahren der Krise ausgewandert. Das sei eine Steigerung um 300 Prozent gegenüber der Zeit vor 2009, konstatiert das angesehene britische Blatt. Griechenland wird dabei gleich in doppelter Hinsicht geschädigt. Das von der Krise geschüttelte Land verliert seine vielversprechendsten Köpfe, hat aber die vollen Kosten ihrer Ausbildung getragen.
Doch auch auf dem Feld dieser Ausbildung hat die von den Gläubigerinstitutionen über die letzten fünf Jahre hinweg verordnete Austeritätspolitik immensen Schaden angerichtet. Radikale Mittelkürzungen im Bildungssektor haben nicht nur zu Tausenden unbesetzten Stellen, sondern auch dazu geführt, dass in den Wintern so manche Schule wegen Mangel an Heizöl zeitweise geschlossen blieb.
Unter der neuen Regierung soll dies nun schrittweise wieder besser werden. Bereits im nun ablaufenden Halbjahr war ein Teil der vakanten Lehrerstellen besetzt worden. Weitere sollen im Zuge des vom Innenministerium geplanten Gesetzes über die Wiedereinstellung all derer besetzt werden, deren Entlassung von landeseigenen Gerichten als unzulässig beurteilt wurde. Darunter fallen auch Hunderte entlassene Verwaltungsangestellte an den griechischen Universitäten.
Aufgrund des Widerstands der Gläubiger sind alle materiellen Verbesserungen auch im Bildungswesen nur langsam und mühselig durchsetzbar. Schneller dagegen konnte die Regierung bei der Rücknahme »kostenneutraler« Ungerechtigkeiten vorgehen. So wurde die Abschaffung der erst im letzten Regierungsjahr des Konservativen Samaras eingeführten Datenbank für Prüfungsaufgaben in den letzten drei Schuljahren von Lehrenden und Lernenden mit allgemeiner Erleichterung aufgenommen. Die Datenbank war mit potenziellen Prüfungsthemen überfrachtet worden, die jeden Rahmen des an den Schulen leistbaren Unterrichtsprogramms gesprengt hatten.
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