Zehn Jahre in die Bremer Luft geplant
Alte Versorgungstrassen überraschen Center-Erbauer
Manchmal fällt es echt schwer, selbst als Lokalpatriotin erhobenen Hauptes Bremens Größe als Oberzentrum und ausgewachsene Großstadt gegen herablassende Anfeindungen zu verteidigen. Blamiert sich der heimische Ballsportverein im Weserstadion, wird in der Hansestadt kollektiv gelitten. Aber der Schmerz hält nicht lange an, schließlich lässt sich ein verlorenes Spiel schnell wieder wett machen. Was sich jedoch jetzt die beiden Senatsressorts Wirtschaft, Häfen und Arbeit (SPD-geführt) sowie Umwelt, Bau und Verkehr (Grün-geführt) in der Hansestadt geleistet haben, ist nicht nur peinlich, sondern fast lächerlich - wenn es nicht so traurig wäre.
Da wird zehn Jahre lang ein neues, schönes, glänzendes Einkaufszentrum - ein »City Center« - geplant. Das soll der Innenstadt mehr Schwung geben und noch mehr Touristen- und Käuferströme anlocken, die viel Geld in die Kassen bringen und so auch für mehr Arbeitsplätze sorgen. Außerdem gibt es hohe Erlöserwartungen der Stadt für die Veräußerungen von Grundstücken und Immobilien. Schließlich sind alle beteiligten Akteure mit im Boot, ein Investor ist gefunden. Der will zwar weniger zahlen, aber immerhin soll ein zweistelliger Millionenbetrag für die klamme Kommune herausspringen.
Und dann, kurz vor der heißen Verhandlungsphase mit dem Investor, stellt sich plötzlich heraus, dass unter dem als Baufläche geplanten Grundstück die Strom-, Gas- und Wasserleitungen der gesamten Innenstadt-Versorgung liegen. Also kann dort nicht gebaut werden, bevor nicht alle Leitungen entfernt und woanders verlegt sind. Das wird einige Jahre und viele Millionen kosten. Folge: Die Verhandlungen mit dem Investor sind erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben.
Vor acht Monaten hatte es noch eine Berichtsvorlage zum »City Center« für eine gemeinsame Sitzung der beiden beteiligten Ressorts gegeben. Hauptpunkt: die Entwicklung der Erlöserwartung, die deutlich heruntergeschraubt werden musste. Die CDU monierte in zwei Briefen die Absenkung der Erlöserwartung und wollte eine Rechtfertigung hören. Mögliche Hinderungsgründe wie etwa Starkstromkabel im Boden wurden jedoch von keiner Seite erwähnt.
Jetzt, etwa acht Monate später schäumt die Handelskammer und wettert, dass nach zehn Jahren Planungszeit keine weiteren Verzögerungen für das Kernvorhaben »City Center« hinnehmbar seien. Das habe nämlich eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung der Bremer Innenstadt. Auch sollten im Baugrund festgestellte Stromleitungen das Projekt nicht grundsätzlich gefährden. Und die CDU spricht von einem »rot-grünen Chaosprojekt«.
Wer wann und warum die Strom-, Gas- und Wasserleitungen übersehen, verschwiegen oder ihre Erwähnung vergessen hatte, ist nicht klar. Aber das wundert in Bremen eigentlich niemanden mehr so richtig. Wurden doch jüngst beim Baubeginn im Boden des umstrittenen Grundstücks gegenüber dem Bahnhof völlig unerwartet Reste eines Hallenbades gefunden. Das stammte nicht etwa aus einer vorchristlichen Epoche, sondern aus der Nachkriegszeit. Aufklärung kam in diesem Fall übrigens nicht aus dem Bauressort, sondern vom Landesärchäologen.
Da verwundert auch die Hompage der »CityInitiative Bremen Werbung e.V.« - das ist ein Verbund der Bremer Innenstadtkaufleute - nicht sonderlich: Sie kündigt noch immer vollmundig die Freude über das neue Einkaufszentrum »City Center« an - als wäre alles in bester Ordnung.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.