Historisches und Zufälliges
Neuer Ton zwischen Kuba und den USA / Treffen auf dem Gang mit Venezuelas Präsidenten
Panama-Stadt. Die Präsidenten Kubas und der USA beendeten am Wochenende mit einem Händedruck und einem Vier-Augen-Gespräch symbolisch die mehr als ein halbes Jahrhundert währende Feindschaft zwischen beiden Staaten. »Meine Botschaft lautet: Der Kalte Krieg ist vorbei«, sagte Obama. Es sei nun möglich, »die Beziehungen in eine andere, bessere Richtung zu lenken«. Die über 50-jährige Politik der Isolation der sozialistischen Karibikinsel sei gescheitert. »Es ist Zeit, etwas Neues zu versuchen.«
In einer emotionalen Rede hatte Raúl Castro die US-Aggression im Kalten Krieg gegen sein Land gebrandmarkt und das Ende der Sanktionen verlangt. Die Folgen des vor einem halben Jahrhundert verhängten Embargos seien »entsetzlicher, als sich jeder vorstellen kann«. Zugleich lobte er Obama für seinen Mut zur Wende. »Meiner Meinung nach ist Obama ein ehrlicher Mann«. Der kubanische Staatschef wiederholte die Bereitschaft seiner Regierung, über jedes Thema zu sprechen: »Wir sind willens, über alles zu reden. Aber wir müssen Geduld haben, viel Geduld.«
»Obama trifft Castro und schreibt Geschichte«, titelte die »New York Times«. Sie »kamen endlich zusammen«, hieß es im kubanischen Parteiorgan »Granma«. Alle Länder der Region begrüßten die Annäherung. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff sagte, damit seien »die Überreste des Kalten Kriegs in der Region« endgültig beseitigt.
Das Treffen zwischen Castro und Obama stellte beim VII. Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten in Panama-Stadt, der Samstag beendet wurde, alle anderen Themen in den Schatten. Das gilt auch für eine für die Entspannung vielleicht nützliche »zufällige« Begegnung zwischen Venezuales Präsidenten Nicolás Maduro und Obama.
Kubas Präsident Raúl Castro würdigte nach einer knapp eineinhalbstündigen Zusammenkunft mit US-Präsident Barack Obama am Samstag in Panama-Stadt dessen Ankündigung als positiv, in Kürze über Kubas Verbleib auf der US-Terrorliste zu entscheiden. Kurz vor dem Gipfel der Organisation Amerikanischen Staaten (OAS) hatte das US-Außenministerium empfohlen, Kuba von der Liste zu streichen.
Zwar bekräftigten beide Seiten, diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen, einen Termin für die angestrebten Botschaftseröffnungen nannten sie aber nicht. Es werde zeitnah weitere Verhandlungen dazu geben. In Bereichen gemeinsamen Interesses, wie der Bekämpfung von Drogenhandel oder Terrorismus, soll die Zusammenarbeit vertieft werden.
Wirklich neu war das nicht; im Großen und Ganzen sind das jene Ankündigungen, die bereits nach dem 17. Dezember gemacht wurden. Was sich aber geändert hat, ist der Ton. Obama lobte die »offene und fruchtbare« Unterhaltung. Man sei in der Lage, sich ehrlich und respektvoll über die jeweiligen Meinungsverschiedenheiten zu unterhalten. »Wir arbeiten nicht an einem Regimewechsel«, versicherte Obama gegenüber der Presse. Kuba sei keine Bedrohung für die Sicherheit der USA.
Das Zusammentreffen der beiden Präsidenten erfolgte nach einer zum Teil emotionalen Rede Castros vor dem Plenum. Er nannte Obama einen »ehrlichen, bescheidenen Mann«, der keine Schuld trage an der Blockade gegen Kuba. In einem langen Exkurs in die Geschichte verurteilte Castro die mehr als 100 Jahre andauernde Interventions- und Blockadepolitik der USA gegen Kuba und erinnerte daran, dass diese mit Guantanamo einen Teil seines Landes besetzt hielten. »Wir lassen es nicht zu, dass man uns ein weiteres Mal täuscht oder kolonisiert.«
Kuba werde auch weiterhin jene Ideen verteidigen, für die sein Volk in der Vergangenheit gekämpft habe, bekräftigte Castro. »Die Leidenschaft kommt mir aus den Poren, wenn es um die Revolution geht. Ich entschuldige mich bei Präsident Obama, dass ich mich so emotional ausdrücke«, sagte er. »Die zehn Präsidenten vor Obama stehen bei Kuba in der Schuld, nicht Präsident Obama.« Er würdigte Obamas »mutigen« Versuch, den US-Kongress von der Aufhebung der Blockade gegen Kuba zu überzeugen. Deren Ende sei entscheidend für eine Normalisierung der Beziehungen.
Castro verurteilte wie fast alle angereisten Staats- und Regierungschefs das Dekret, mit dem Obama Anfang März Venezuela zur Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA erklärt und gegen venezolanische Funktionäre Sanktionen verhängt hatte. Er bat um seine Aufhebung als Beitrag zu Dialog und Verständigung in der Region. Obama selbst war in seiner Rede mit keinem Wort auf Venezuela eingegangen.
Die Debatte um Venezuela enthielt am Ende weniger Zündstoff als von einigen Teilnehmern befürchtet. Zwar verurteilte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro in seiner Rede den Schritt der US-Regierung mit scharfen Worten, bezeugte Präsident Obama aber auch seinen Respekt. »Ich möchte eine Zukunft mit den USA. Wir sind nicht Anti-Amerikaner, wir sind Anti-Imperialisten!« sagte Maduro: »Ich strecke ihnen meine Hand entgegen, Präsident Obama, damit wir unsere Angelegenheiten friedlich ohne Einmischung beilegen.« US-Vizeaußenministerin Roberta Jacobson bekräftigte aber, die Sanktionen gegen venezolanische Funktionäre würden nicht aufgehoben.
Am Abend trafen Maduro und Obama doch noch zusammen. Man sei sich »zufällig« in den Gängen des Kongresszentrums über den Weg gelaufen und habe sich knapp zehn Minuten unterhalten, hieß es von Seiten der venezolanischen Delegation. »Es war ein ernstes, ehrliches Gespräch. Ich würde sogar sagen: fast herzlich«, meinte Maduro gegenüber dem Fernsehsender TeleSur. »Es könnte sich die Möglichkeit eines Dialogs mit der US-Regierung eröffnen, in dem wir den Weg zu respektvollen Beziehungen ausloten.«
Die Annäherung zwischen den USA und Kuba konnte aber nicht verdecken, dass wenig Übereinkunft zwischen den beiden Amerikas herrscht. Wie schon der vorangegangene Gipfel in Cartagena 2012 endete auch dieser ohne gemeinsame Erklärung.
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