Morddrohungen gegen Linkenpolitiker Ramelow

Wegen der Debatte um Flüchtlinge und Rassismus: Brief mit weißem Pulver an Thüringens Ministerpräsident / Flüchtlingsbeauftragte Özoguz kämpft mit Hassbotschaften / Ramelow: «Lasse mich nicht beeindrucken»

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Update 13.40 Uhr: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist am Rande des Festakts zum 70. Jahrestag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Buchenwald wegen seiner Haltung in der Flüchtlingspolitik beschimpft worden. Er sei von einem ihm unbekannten Mann unter anderem als «böser Brandstifter» bezeichnet worden, sagte Ramelow am Montag der Nachrichtenagentur dpa in Erfurt. Er habe darauf verzichtet, Sicherheitskräfte einzuschalten. «Ich wollte den Festakt nicht damit belasten. Am Wochenende wurde im Weimar an die Befreiung des KZ Buchenwalds vor 70 Jahren erinnert.

Wegen der enormen Herausforderungen, vor der nicht nur Thüringen angesichts wachsender Flüchtlingszahlen stehe, müssten alle Demokraten zusammenstehen, sagte Ramelow. Er sehe sich dabei mit dem Bürgermeister von Tröglitz, der ebenfalls Anfeindungen ausgesetzt ist, verbunden.

Bezüglich wiederholter Morddrohungen gegen ihn, wolle sich Ramelow nicht einschüchtern lassen. »Ich lasse mich nicht beeindrucken. Ich will es aber auch nicht einfach runterschlucken.« Die Sicherheitsvorkehrungen seien verstärkt worden. Details dazu wollten weder Ramelow noch das Landeskriminalamt nennen.

Morddrohungen gegen Linkenpolitiker Ramelow

Berlin. Vor dem Hintergrund der Debatte um Rassismus in Deutschland, die Aufnahme von Flüchtlingen und Anschläge gegen Asylunterkünfte hat es gegen den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow Morddrohungen gegeben. »Ich habe drei Morddrohungen erhalten«, sagte Ramelow der »Thüringischen Landeszeitung«. Sie seien schriftlich, unter anderem per E-Mail eingegangen. Ihm sei auch ein Brief mit weißem Pulver zugeschickt worden, der kriminaltechnisch untersucht wurde.

Angefangen hätten die Drohungen mit der Auseinandersetzung um eine mögliche Außenstelle für eine Flüchtlingserstaufnahme in Gera-Liebschwitz. In einer Erfurter Gaststätte habe man ihm zudem »offen Schläge angedroht«. Die rot-rot-grüne Landesregierung prüft derzeit, ob Gera-Liebschwitz neben Immobilien in Rudolstadt und Erfurt-Waltersleben als Standort für eine dritte Flüchtlings-Erstaufnahmestelle infrage kommt. An diesem Montag soll der Landesregierung eine Prüfung der drei Standorte vorliegen. Am Dienstag will sich nach bisherigen Planungen das Kabinett damit befassen. Die erhöhte Gefährdungslage führte dazu, dass der Regierungschef nach eigenen Angaben in der vorvergangenen Woche mit einer schwerer als üblich gepanzerten Limousine chauffiert wurde, schrieb das Blatt weiter.

Auch die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, kämpft mit ständigen Drohungen und Hassbotschaften. »Ich bekomme Briefe, in denen steht: «Du gehörst am nächsten Baum aufgehängt»«, sagte die SPD-Politikerin in einem Interview der »Welt am Sonntag«. Sie empfinde das nicht als konkrete Morddrohung, aber es beschäftigte sie. »Die Hassmails gehen nahezu täglich in meinem Büro ein. Die Anfeindungen kommen per Mail, Brief oder über soziale Netzwerke wie Facebook«, sagte Özoguz. Sie habe deswegen bei der Plattform angefragt, ob das Netzwerk nicht gegen bestimmte Personen vorgehen könne - allerdings ohne Erfolg.

Immer wieder werden Politiker wegen ihres Engagements für Flüchtlinge bedroht. Zuletzt war der ehrenamtliche Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt, Markus Nierth, zurückgetreten, weil er sich rechtsradikaler Hetze ausgesetzt sah. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau erhielt zuletzt wegen ihres Einsatzes für eine Flüchtlingsunterkunft in ihrem Berliner Wahlkreis über 40 Mord- und Gewaltdrohungen.

Dort, im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf, gab es in der Nacht von Samstag zu Sonntag eine rechtsradikale Attacke auf eine deutsch-russische Grundschule. Nach Informationen der Linkspartei waren Unbekannte auf das Gelände der Schule eingedrungen, verteilten volksverhetzende Flugblätter, befestigten eine Reichskriegsflagge und hängten eine Puppe an einem Strick auf dem Gelände auf. »Dies ist der bisherige Höhepunkt einer Serie neonazistischer Aktionen in unserem Bezirk«, heißt es in einer Erklärung.

Bedrohungen, Einschüchterungsversuche und Übergriffe auf Gegner der Nazis hätten »massiv zugenommen«. Allein in diesem Jahr verübten Unbekannte einen Buttersäure-Anschlag auf die Kreisgeschäftsstelle der SPD. Wenige Tage vor Jahreswechsel zerstörten Rechtsextreme einen Weihnachtsbaum für Toleranz, der als Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten aufgestellt wurde. Der Verein Starke Familie e.V. und dessen Unterstützer*innen mussten bei einer Informationsveranstaltung durch die Polizei geschützt werden, da Neonazis mehrfach versuchten die Veranstaltung zu stören. Agenturen/nd

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