Zeit ist Geld

Gewerkschaft kontrolliert Einhaltung des Mindestlohngesetzes

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

An einer konsequenten Kontrolle und der Beibehaltung der Dokumentationspflicht für die individuelle Arbeitszeit führe kein Weg vorbei, wenn der gesetzliche Mindestlohn ein Erfolg werden soll, betonte Doro Zinke, DGB-Bezirksvorsitzende von Berlin-Brandenburg, am Montag in Potsdam.

Etwa jeder fünfte Beschäftigte im Land Brandenburg profitiert von den vorgeschriebenen 8,50 Euro Mindestlohn, sagte die Gewerkschaftsfunktionärin. Die von Unternehmerseite vorausgesagte Welle von Kündigungen und Firmenschließungen sei ausgeblieben. Dennoch werde die Startphase von »Behauptungen unsolider Art« begleitet. So gelte die oft beanstandete Dokumentationspflicht für die Arbeitszeit seit 20 Jahren, sie sei von jedem Unternehmer problemlos zu erbringen. »Wer das jetzt zum Problem erhebt, gibt zu, dass er 20 Jahre ungesetzlich gehandelt hat.« Der DGB verteile derzeit »kleine Blöckchen«, auf denen jeder Beschäftigte die von ihm geleisteten Arbeitsstunden selbst vermerken könne.

Inzwischen schälten sich auch Branchen heraus, in denen es Tendenzen gebe, den Mindestlohn zu unterlaufen. Zinke nannte das Hotel- und Gaststättenwesen, Bäckereien, und vor allem die Landwirtschaft. Angesichts der beginnenden Spargelsaison und der bald darauf anstehenden Erdbeer- und Süßkirschenernte werde hier die Beobachtung verstärkt werden müssen. Die DGB-Bezirkschefin zeigte sich überzeugt davon, dass Kunden mehr zahlen würden, wenn es den Beschäftigten zugute komme. Das Pfund Spargel würde sich bei Zahlung des Mindestlohnes um 30 bis 32 Cent verteuern, rechnete sie vor. Die Gewerkschaft werde mit dem Auto auf die Felder fahren, um die Einhaltung des Mindestlohngesetzes zu kontrollieren. »Der größte Feind der Bäcker ist nicht der Mindestlohn, sondern es sind die Brotaufbackstationen und die Backwarentheken der Supermärkte«, merkte Zinke an.

Zwar gebe es viele zufriedenstellende Beispiele, doch obwohl auf Baustellen schon lange zehn Euro pro Stunde üblich seien, müssten immer noch Männer aus Osteuropa für fünf oder sechs Euro pro Stunde arbeiten, sofern sie überhaupt Lohn erhalten. Ein »beliebter Trick« sei der »Halbtagsmauerer«, von dem im Kontrollfall behauptet werde, er arbeite nur drei oder vier Stunden am Tage. Daher sei die lückenlose Führung des Arbeitszeitkontos Bedingung für das Durchsetzen des Mindestlohnes. Abgeschafft gehöre auch die Sittenwidrigkeit, wonach eine Reinigungskraft im Hotel nun in einer Arbeitsstunde nicht zwei, sondern vier oder fünf Zimmer zu reinigen habe, um zu verschleiern, dass sie auch weiterhin den Mindestlohn nicht erhalte.

Die vom Mindestlohn ausgenommenen Bereiche liegen der Gewerkschaft schwer im Magen. Zinke sprach von einem »Drehtüreffekt« an Supermarktkassen - junge Kräfte würden unter dem Mindestlohn beschäftigt, bis sie 18 Jahre alt seien, dann entlassen und durch noch Jüngere ersetzt. Um den Mindestlohn im Schlachtbereich auszuhebeln, müssten derzeit die Beschäftigten in einigen Unternehmen Fleischermesser mieten oder teuer kaufen, merkte sie an. Bislang sei das Schlachten und komplette Zerlegen eines Schweins mitunter mit zwei bis drei Euro vergütet worden.

Unterschiedlich sei die Lage im Handwerk. Es gebe dort Meister mit dem anerkennenswerten Bestreben, den schlechten Ruf der Branche in Fragen des notorisch geringen Arbeitslohnes loszuwerden. Denen stehe der »Jammermeister« gegenüber, der seine Angestellten nach wie vor erbärmlich bezahle. Eine international operierende Firma wie Zalando sei auf den Trick verfallen, sich nicht etwa als Handelsunternehmen auszugeben, sondern als Logistiker. So wolle man die Tariflöhne für die Handelsbranche umgehen, die »deutlich oberhalb des Mindestlohnes« liegen.

Der DGB Berlin-Brandenburg fordert ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften zur Durchsetzung des Mindestlohns. Damit könnte vor allem Arbeitnehmern geholfen werden, die in kleinen Betrieben Schwierigkeiten hätten, ihre Rechte einzufordern, erläuterte Zinke. Derzeit dürften die Gewerkschaften nur für ihre Mitglieder klagen. Die rund 180 000 Gewerkschaftsmitglieder in Brandenburg sollen im Konfliktfalle ihre Gewerkschaft aufsuchen, rät die DGB-Bezirkschefin. mit epd

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