Der Oranienplatz bebt
Tausende bei »Beats gegen Rassismus« in Berlin
Die Oranienstraße dröhnt unter den basslastigen Beats von Peter Fox, als er seinen Song »Schwarz zu Blau« mit der Liedzeile »Berlin, du kannst so schön schrecklich sein«, singt. Mehrere tausend Menschen springen und tanzen dazu auf dem Oranienplatz, während die Sonne langsam untergeht. Später fetzen noch »Zugezogen Maskulin« ihr »Alles brennt« in die Menge, die Flüchtlingsband »Antinational Embassy« spielt und die Heidelberger Hip-Hop Band »Irie Révoltés« rappt weiter bis in die Nacht gegen Rassismus.
Das Konzert auf dem symbolträchtigen Oranienplatz in Kreuzberg war die Abschlussveranstaltung der bundesweiten antirassistischen Aktionswoche, die sich gegen das momentan im Bundestag debattierte neue Aufenthaltsgesetz wendet. In diesem Gesetz soll einerseits die Möglichkeit eines Bleiberechts für langjährig Geduldete eingeführt werden, andererseits – und daran entzündet sich scharfe Kritik von Flüchtlingsverbänden – sollen Ausreiseregelungen verschärft und Gründe für die Inhaftierung von Flüchtlingen in Abschiebehaft ausgeweitet werden.
Im Laufe der Aktionswoche besetzten Aktivisten mehrmals Einrichtungen der SPD. So auch die Parteizentrale in Berlin. Außerdem fand eine Mahnwache auf dem Pariser Platz statt. Laut Mitveranstalter Markus Günther habe sich die SPD aber jeglichen Gesprächen über die Ausgestaltung der Änderung des Aufenthaltsgesetzes verweigert. Dennoch sei die Aktionswoche ein Erfolg gewesen. »Es hat in fünf oder sechs Bundesländern Mahnwachen und Veranstaltungen gegeben. Wir sind breit aufgestellt«, sagt Günther dem »neuen deutschland«. Der Aktivist sieht noch viel Arbeit. »Es gibt noch zu viele Leute, die zwar persönlich gegen Rassismus sind, aber sich nicht engagieren. Die müssen sich mehr bewegen und zeigen, dass wir nicht nur da sind, wenn es gegen Nazis geht, sondern auch, wenn es gegen Rassismus geht.« Er sei froh, dass es nun ein breites Bündnis in Berlin gebe, in dem zwar kontrovers diskutiert werde, aber dennoch pragmatisch Aktionen geplant würden. So sei in Berlin unter anderem eine Demonstration für den 5. Mai geplant.
Vor dem Konzert am Samstag war es zu Irritationen über ein Statement von Peter Fox auf Facebook gekommen. Er hatte geschrieben, dass er das »bedingungslose Bleiberecht« nicht unterstütze. Später präzisierte er, dass er zwar das Motto »Asylrechtsverschärfung stoppen – Beats against Racism« voll unterstütze, warum er auch zugesagt habe, aber dass es auch wichtig sei, bei seinen Forderungen breite Teile der Bevölkerung mitzunehmen. Das sehe er bei radikalen Linken nicht immer gewährleistet.
Im Vorfeld des großen Konzertes war es auch zu einer Auseinandersetzung zwischen den Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg und den Veranstaltern gekommen, die der Partei einen Stand bei dem Konzert untersagten. Der Kreisverband der Grünen schrieb daraufhin: »Die Ablehnung … bedauern wir sehr, aber wir respektieren sie.« Die Partei räumte ein, bezüglich des Umgangs mit Oranienplatz und Gerhart-Hauptmann-Schule Fehler gemacht zu haben. Mit der Forderung nach einem »bedingungslosen Bleiberecht« sei man solidarisch.
Marius von der Band »Antinational Embassy« erneuerte im »nd« die Kritik an den Grünen. Die Band hatte sich in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule gefunden, zusammen musiziert und die Verhandlungen hautnah mitbekommen. »Die Verhandlungen damals waren nicht auf Augenhöhe. Die Geflüchteten wurden nicht ernst genommen«, betont der Musiker. Seine Bandkollegin Habet ergänzt: »Ja, die Bedingungen waren schlecht in der Schule, aber es gab wenigsten einen Ort zum Schlafen und zu essen. Es gab auch Computer- und Deutschkurse. Der Bezirk wollte ein Flüchtlingszentrum daraus machen, aber das war es bereits. Das wurde nicht akzeptiert.« »Wir müssen wohl weiterhin mit den Grünen im Dialog bleiben«, sagt Marius, auch weil man nun versuchen wolle, die Schule mit Hilfe von Stiftungen zu kaufen.
Nach dem Konzert war es am Abend zu einer Spontandemonstration gekommen, die die Polizei mit Pfefferspray stoppte. 17 Beamten seien verletzt worden, erklärte die Polizei. Bei 34 Personen habe man Strafermittlungsverfahren eingeleitet – vor allem wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch.
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