Kolat will Asylsuchenden helfen
Maßnahmenkatalog zur Unterstützung der Integration geflüchteter Menschen vorgestellt
Blau ist eine warme Farbe. Zumindest schien es so, als sich Dilek Kolat am Dienstag im Presseraum des Roten Rathauses vor die meerblaue Wand setzte. Denn Berlins Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration hatte gute Nachrichten: In der jüngsten Senatssitzung, erklärte die Wirtschaftsmathematikerin lächelnd, seien »zusätzliche Maßnahmen zur Unterstützung der Integration geflüchteter Menschen in Ausbildung und Arbeit im Jahr 2015« beschlossen worden. Ganz schön viele verwaltungsdeutsche Substantive für solch ein brisantes Thema. Das dachte sich offenbar auch Kolat, weshalb sie erstmal auf aktuelle Ereignisse einging.
Es sei bestürzend, sagte die 48-Jährige, dass erneut so viele geflüchtete Menschen an den europäischen Außengrenzen ums Leben gekommen seien. Man müsse »die Ursachen des Leids bekämpfen«, weshalb sie froh sei, dass »auf europäischer Ebene nun entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden«. Bei den Maßnahmen des Senats für Berlin konzentriere man sich aber »nicht auf die jährlich neu zu uns kommenden Geflüchteten, sondern auf die, die bereits da sind«.
Konkret gehe es darum, dass »die Menschen auf eigenen Beinen stehen können und zu Steuerzahlern werden«. Von den 34 000 derzeit in der Hauptstadt lebenden Flüchtlingen mit gültigem Aufenthaltsstatus verfügen 43 Prozent über einen Arbeitsmarktzugang, denen Kolat den Weg in die Erwerbstätigkeit ebnen will.
Aus dem Katalog mit seinem Gesamtvolumen von 820 000 Euro erscheinen Kolat vor allem fünf Maßnahmen wichtig. Zunächst solle die Zahl der Integrationslotsen erhöht werden, die bereits seit 2014 gezielt in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften aktiv seien. Von den 80 Stellen seien bislang nur elf dezidiert für Geflüchtete zuständig. Das werde sich ändern: 16 Lotsen hat die Senatorin zusätzlich für die Arbeit mit Flüchtlingen eingeplant. Deren Angebote umfassen Sportkurse, Kunstangebote oder auch Nachhilfeunterricht.
Das wichtigste Element sieht Kolat in den Deutschkursen, für die 2015 insgesamt 600 000 Euro veranschlagt werden. Außerdem plant Kolat »die Einsetzung von zwölf Bildungsberatern, die die Geflüchteten in den Sprachkursen besuchen, ein berufliches Profil erstellen und an die Jobcenter und Arbeitsagenturen vermitteln«. Auch werde das Projekt »Arrivo« ausgeweitet, in dem Flüchtlinge handwerkliche Berufe erproben können. Zusätzliche Ausbildungsplätze soll es im Rahmen des Berliner Ausbildungsprogramms für unbegleitete minderjährige Geflüchtete geben.
Erst gegen Ende ging es dann doch noch einmal nicht um die Art, wie sich Flüchtlinge durch Arbeit als »nützlich« erweisen können, sondern um deren Menschenrecht. Denn am Dienstag äußerte sich auch Ulrich Nußbaum zur Flüchtlingsfrage. In den 1990er Jahren, schrieb der Ex-Finanzsenator in der »B.Z.«, habe Berlin bereits mit 35 000 Flüchtlingen umgehen müssen. Derzeit nehme man aber nur halb so viele auf, obwohl der Haushalt im Vergleich zu damals zwei Milliarden Euro mehr hergebe.
»Rein finanziell«, folgert Nußbaum, »können wir also mindestens nochmal so viele Menschen aufnehmen wie bisher.« Darauf angesprochen, schaltete Kolats Sprecher die Mikrofone stumm, damit er seiner Vorgesetzten etwas zuflüstern konnte, bevor er vor der himmelgleichen Wand erklärte: »Die Senatorin kann dazu keine Auskunft geben, da sie besagten Artikel nicht kennt.« Vielleicht ist blau ja doch eine kalte Farbe.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.