Maulkorb für Mumia und Co.
Professor Linn Washington über den Angriff per Gesetz auf die Redefreiheit von Gefangenen in Pennsylvania
Im Bundesstaat Pennsylvania wurde ein Gesetz erlassen, dass die Meinungsfreiheit von Gefangenen einschränkt. Der seit 1982 inhaftierte politische Gefangene Mumia Abu-Jamal hat dagegen geklagt. Was genau besagt dieses Gesetz?
Offiziell soll die Intention des Gesetzes der Schutz vor »Aktivitäten« sein, die eine »dauerhafte Fortsetzung der Auswirkungen des Verbrechens auf die Opfer« bedeuten würden. Aber es legt nicht konkret fest, was genau diese »Aktivitäten« sind, und wie »dauerhafte Fortsetzung« zu definieren sei. Auch ist nicht klar, welche Strafen bei Verstößen dagegen zu erwarten wären. Diese Ungenauigkeit öffnet der Willkür der Justiz Tür und Tor, denn korrupte Richter und Staatsanwälte können die Regeln selber machen.
Gibt es keinen gesetzlich geregelten Opferschutz in Pennsylvania?
Die Gesetzgebung im Bundesstaat Pennsylvania bietet ausreichend Grundlage, Opfer vor ihren Peinigern zu schützen. Ein neues Gesetz wäre absolut nicht notwendig. Aber darum geht nicht. Sondern de facto ist dieses Gesetz ein Angriff auf die Redefreiheit, also ein Angriff auf die Verfassung Pennsylvanias und der USA generell.
Wer ist von diesem »Silencing Law« betroffen?
Befürworter des Gesetzes haben ganz klar gesagt, das Hauptanliegen des Gesetzes sei, Mumia Abu-Jamal zum Schweigen zu bringen. Der Gesetzesentwurf wurde zum ersten Mal vier Tage nach einer Grußadresse Mumias an eine College-Abschlussklasse vorgestellt. Es wurde sehr schnell, in weniger als einem Monat nach dieser Ansprache, verabschiedet - ohne den regulären Ablauf einer öffentlichen Debatte.
Aber letztendlich hat es Auswirkungen auf alle rund 50 000 Häftlinge in Pennsylvanias Gefängnissen. Zudem auf alle Personen, die auf Bewährung sind oder Bewährungsstrafen bekommen haben - das sind Tausende. Sowie alle Gruppen, Organisationen und Kultur- und Medienschaffenden, die zu Gefängnis bezogenen Themen arbeiten.
Wer profitiert davon?
Die Polizei, Staatsanwälte und Politiker profitieren davon. Politiker decken selbst krassestes Fehlverhalten der Polizei, und Strafverfolgungsbehörden sind häufig tief darin verstrickt. Deshalb wollen sie, dass dieses Gesetz genehmigt und umgesetzt wird, weil es ihnen ermöglicht, ihre Kritiker mundtot zu machen, und ihre Rechtsbrüche zu vertuschen.
Sie sagten, das Gesetz sei erklärtermaßen gegen Mumia gerichtet. Wieso bedarf es besonderer Gesetze für einen Mann, der seit 33 Jahren hinter Gefängnismauern leben muss?
Dass ein so kleines Häuflein, wir sprechen von 26 Studentinnen und Studenten, ein Tonband, von wem auch immer abspielt, sollte doch kein großes Ding sein. Aber in dem Falle spielen zwei Faktoren eine große Rolle: Viele in Pennsylvania hassen Mumia mit wahrer Leidenschaft und würden alles tun, um ihn mundtot zu machen und die Erinnerung an ihn aus dem öffentlichen Gedächtnis zu löschen. Und als dieses Gesetz vergangenen Herbst verabschiedet wurde, war die Polizei sowohl in Philadelphia, in Pennsylvania als auch überall in den USA ins Gerede gekommen wegen gnadenloser Brutalität. Und Mumia hat immer, auch 33 Jahre nach seiner Verhaftung, darüber berichtet - inzwischen einem internationalen Publikum.
Welche Chancen haben die Klagen?
Vorab: Neben Mumia haben zwei weitere Gefangene, Prison Radio, wo sowohl Beiträge von Mumia als auch den beiden anderen Klägern gesendet werden, und einige andere Organisationen gegen dieses Gesetz gemeinsam Klage eingereicht. Außerdem gibt es eine separate Klage einiger Presseorganisationen. In beiden Fällen haben die Kläger das Gesetz auf ihrer Seite, denn dieses »Silencing Law« verletzt fundamentale Verfassungsrechte. Es ist zu hoffen, dass der zuständige Richter seinem Urteil geltendes Recht zugrunde legt und es als nicht verfassungskonform erklären wird. Aber: In der US-Rechtsprechung wird das Gesetz zu oft ignoriert, und nach politischem Gusto und nicht nach verfassungsmäßigen Vorgaben entschieden. Mumia selbst ist ja das beste Beispiel dafür.
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