BND-Affäre sorgt in SPD für Unmut über Kanzleramt

Riexinger und Renner verlangen Rücktritt von Geheimdienstchef / Regierung will sich zu Schindler nicht äußern / Grüne: Kanzlerin Merkel muss aufklären

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 13.15 Uhr: Die Bundesregierung will sich angesichts der neuen Spionage-Affäre von Bundesnachrichtendienst und dem US-Geheimdienst NSA nicht zur Zukunft von BND-Präsident Gerhard Schindler äußern. Zur Frage, ob Schindler im Amt bleibe, wollte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag nicht Stellung nehmen. Er betonte, die Bundesregierung stehe weiterhin zur engen Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten in der Terrorismusbekämpfung.

Derweil sorgen die jüngsten Entwicklungen in der Spionage-Affäre um die Nachrichtendienste BND und NSA in der SPD-Bundesspitze für Unmut. Dem Kanzleramt scheine die Aufsicht über den BND völlig entglitten zu sein, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi der »Berliner Zeitung« (Wochenendausgabe). Dies könne nicht ohne Folgen bleiben. »Ich schließe personelle Konsequenzen ausdrücklich nicht aus.« Erst einmal brauche es aber eine gründliche Aufklärung. Ähnlich äußerste sich Fahimi gegenüber dem SWR. Der BND habe offensichtlich »ein Eigenleben entwickelt, das wir nicht akzeptieren können«.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel erklärte, wenn der BND sich zum Werkzeug der amerikanischen Geheimdienste gemacht habe, sei das ein »Skandal der Sonderklasse«. »Das schadet dem Vertrauen in die Demokratie massiv«, teilte Schäfer-Gümbel am Freitag mit.

Update 11.00 Uhr: Die Bundesanwaltschaft hat kein eigenständiges Ermittlungsverfahren zu den jüngsten Enthüllungen über die Zusammenarbeit von NSA und BND eingeleitet. Die Behörde erklärte auf Anfrage am Freitag in Karlsruhe, dass sie aufgrund von Medienberichten über Aktivitäten britischer und amerikanischer Nachrichtendienste in Deutschland im Juni 2013 »einen Prüfvorgang angelegt« habe. Zuvor hatte der NSA-Untersuchungsausschuss-Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU) im ARD-»Morgenmagazin« gesagt, der Generalbundesanwalt ermittele.

Linkspartei: Gegen BND wegen Landesverrats ermitteln

Berlin. Nach neuen Enthüllungen zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes im NSA-Spionageskandal fordert Linksparteichef Bernd Riexinger Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wegen Landesverrats. »Der BND war offenbar jahrelang eine Art Zweigstelle des US-Geheimdienstes«, sagte Riexinger der »Mitteldeutschen Zeitung«. BND-Präsident Gerhard Schindler müsse dafür die volle Verantwortung übernehmen und zurücktreten. Dies hatte zuvor schon die Obfrau der Linksfraktion im Bundestag im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, verlangt.

»Schindler muss die Verantwortung übernehmen und zurücktreten – das ist die logische Konsequenz aus der Spionage-Affäre, in die der BND und die NSA gemeinsam verwickelt sind«, sagte Renner. Der BND-Chef müsse die Verantwortung dafür übernehmen, »dass der BND jahrelang der NSA geholfen hat, westeuropäische Konzerne und Politiker auszuspähen, und dass diese illegale Praxis des BND mutmaßlich dem Parlament und dem Bundeskanzleramt verschwiegen wurde«, so die Linkenpolitikerin.

CSU-Innenexperte Stephan Mayer wies die Rücktrittsforderungen der Linken als »vollkommen vorschnell und effekthascherisch« zurück. Allerdings seien die bekanntgewordenen Vorwürfe sehr schwerwiegend, sagte das Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages der »Passauer Neuen Presse«. »Ich fordere eine schnellstmögliche und lückenlose Aufklärung.«

Am Donnerstag war ans Licht gekommen, dass der BND für die NSA gezielt die Kommunikation europäischer Unternehmen und Politiker ausgehorcht haben soll. Betroffen sein sollen etwa der Rüstungskonzern EADS, der Hubschrauberhersteller Eurocopter oder französische Behörden.

In den vergangenen Jahren wurde dem Auslandsgeheimdienst demnach stückweise klar, dass von den Amerikanern gelieferte Suchkriterien (Selektoren) - etwa Namen, Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern - für den von ihm abgehörten Datenverkehr auch deutschen Interessen widersprechen. Schon 2008 soll dem BND aufgefallen sein, dass einige Selektoren problematisch sind. Das Kanzleramt als Aufsichtsbehörde soll jedoch erst im vergangenen März darüber informiert worden sein. Nun kam alles ans Licht, weil der NSA-Ausschuss des Bundestages Auskunft über die Abhörpraxis forderte.

Die Grünen sehen jetzt die Kanzlerin in der Verantwortung: »Die Kontrolle des BND ist Sache des Kanzleramts und damit von Angela Merkel persönlich. Die Kanzlerin muss jetzt für volle Aufklärung sorgen«, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der »PNP«. »Vor zwei Jahren hat sie noch gesagt: Abhören unter Freunden geht gar nicht.« Jetzt müsse man aber davon ausgehen, dass der BND genau das zusammen mit der NSA jahrelang gemacht habe. Die Strukturen im BND seien ganz offensichtlich immer noch auf Vertuschen ausgerichtet.

»Der Skandal um die illegale Weitergabe von Daten durch den BND an die NSA zeigt auch, dass der Auslandsgeheimdienst ein Eigenleben führt und von niemandem effektiv kontrolliert werden kann. Ganz offensichtlich hat der BND das Parlament und die Bundesregierung jahrelang belogen in Bezug auf das Ausmaß und die Ziele der Zusammenarbeit mit der NSA«, so die Linkenpolitikerin Renner. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.