An der Grenze der Belastung
Ulrike Henning über den Streik an der Charité
Die Charité gilt zu Recht als eines der renommiertesten Universitätskrankenhäuser Deutschlands. 100 Kliniken und Institute, 17 spezialisierte Zentren und eine dreihundertjährige erfolgreiche Wissenschaftsgeschichte stehen dafür. Über die Hälfte der deutschen Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie stammen von hier, heißt es stolz auf der Webseite des Unternehmens. In den jüngsten Pressemitteilungen dort geht es um Forschungskooperationen, Besetzung hochrangiger Stellen, Ergebnisse aus der Neurologie oder Optogenetik.
Doch unter den 13 100 Mitarbeitern, die pro Jahr 1,5 Milliarden Euro Einnahmen erwirtschaften, ist der größere Teil weder promoviert noch Ober- oder Chefarzt. Pflegekräfte halten das Unternehmen am Laufen, hinzu kommen Service- und technische Mitarbeiter. Gerade diese Gruppe weist mit ihrem Streik auf Dauerbelastungen hin, die sie immer häufiger an die psychischen und körperlichen Grenzen bringen. Sie wollen, dass endlich und mit tariflicher Verbindlichkeit der Personalnot etwas entgegengesetzt wird.
Ergebnislose Gespräche darüber gibt es seit längerem, zwei Mal wurden Warnstreiks schon abgebogen. Einen Pflegenotstand will die Leitung des Hauses - im Gegensatz zur Gewerkschaft - nicht sehen. Fachpflegerinnen berichten von der wachsenden Angst, im Stress Fehler zu machen. Erfolgreiche und sichere Krankenhausversorgung wird in einer solchen Atmosphäre nicht lange zu leisten sein, ebenso wenig hochrangige Forschung. Die Frage ist, wie lange eine derart gegensätzliche Bewertung der Arbeitssituation ohne Auswirkung auf die Ergebnisse bleibt. Die Charité-Leitung sollte auch in der Personalpolitik auf der mittleren Ebene die selbst benannten Unternehmenswerte Verantwortung und Respekt ernster nehmen als bisher.
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