Helfer erreichen entlegene Dörfer
Zahl der Toten in Nepal steigt auf über 5000, die Regierung kann Hilferufen kaum folgen
Kathmandu. Nach dem schweren Erdbeben in Nepal hat am Dienstag erste Hilfe auch die abgelegeneren Gebiete erreicht: Ein erster Hubschrauber aus Indien landete in dem schwer getroffenen Bezirk Gorkha, in dem die Menschen seit dem Beben am Sonnabend auf sich allein gestellt waren. Regierungschef Sushil Koirala räumte ein, dass die Behörden mit der Katastrophe überfordert seien. Die Zahl der Toten stieg auf mehr als 5000. Unter ihnen war auch ein Deutscher.
Mit ausgestreckten Armen rannten Einwohner von Gorkha auf den Hubschrauber zu, baten um Wasser und Nahrung und darum, in Sicherheit gebracht zu werden. »Der Boden hört nicht auf zu beben. Jedes Mal fühlt es sich an, als würden wir gleich sterben. Wir haben nichts mehr zu essen, uns bleibt nichts mehr. Ich will nur weg von hier«, sagt die 24-jährige Sita Gurung und zeigt auf ihr zerstörtes Haus in dem Dorf Lapu. Laut einem AFP-Reporter hat das Beben der Stärke 7,8 am Sonnabend ganze Dörfer in dem Gebiet ausgelöscht.
Bei einer Krisensitzung aller nepalesischen Parteien sagte Regierungschef Koirala, die Behörden unternähmen alles, um die Bedürftigen mit Zelten, sauberem Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. Sie seien aber von der schieren Zahl der Hilferufe aus den entlegenen Himalaya-Dörfern überfordert: »Von überall treffen Bitten um rasche Hilfe ein, aber wir sind nicht in der Lage, überall gleichzeitig Rettung zu organisieren, da uns Ausrüstung und Experten fehlen«, sagte er.
Auch Tage nach dem Beben steigt die Zahl der Opfer weiter an. Nach Angaben des nepalesischen Innenministeriums starben allein in dem Himalaya-Staat mehr als 5000 Menschen, rund hundert weitere kamen im benachbarten Indien und China ums Leben. Die Zahl der Verletzten stieg auf über 10 000. Insgesamt sind von den Auswirkungen des Bebens nach Einschätzung der Vereinten Nationen rund acht Millionen Menschen betroffen: Mehr als 1,4 Millionen seien auf Lebensmittelhilfen angewiesen, viele Menschen bräuchten aber auch Wasser oder hätten ihr Obdach verloren, erklärte die Organisation.
Die Lage am Mount Everest, wo sich hunderte Bergsteiger zum Beginn der Klettersaison versammelt hatten, blieb weiter unübersichtlich. Mindestens 18 Menschen starben, als eine durch das Beben ausgelöste Lawine Teile des Basislagers verschüttete, mehr als 150 Bergsteiger wurden seit Montag aus den höheren Lagen des Bergs in Sicherheit gebracht. Unter den Todesopfern waren nach jüngsten Angaben auch mindestens zwei US-Bürger sowie eine Australierin.
Auch ein Deutscher kam bei dem Beben ums Leben. Der Professor der Universität Göttingen wurde zusammen mit 15 Geografie-Studenten und einem weiteren Wissenschaftler während einer Exkursion in einem Gebiet nordwestlich von Kathmandu von dem Beben überrascht, wie die Universität mitteilte. Der Wissenschaftler verunglückte dabei tödlich, den Studenten geht es den Angaben zufolge den Umständen entsprechend gut. Sie sollten am Dienstag nach Kathmandu gebracht werden und wenn möglich am Mittwoch den Heimflug antreten. Nach einem Bericht des »Göttinger Tageblatts« war der 67-jährige Geografie-Professor ein erfahrener Expeditionsleiter. Er galt als ausgesprochener Himalaya-Experte. Die Umstände seines Todes waren zunächst unklar.
Unterdessen kommen aus aller Welt weitere Hilfszusagen - unter anderem stockten die USA ihre Ersthilfe auf zehn Millionen Dollar (9,19 Millionen Euro) und Australien auf 4,7 Millionen Dollar auf. Auch die ersten Teams von internationalen Hilfsorganisationen erreichten inzwischen das Erdbebengebiet.
Doch nach wie vor sind viele Straßen zerstört, während Hilfe aus der Luft durch das Nadelöhr Flughafen blockiert wird: Nach Angaben der japanischen Behörden versuchte ein Helferteam am Dienstag zum dritten Mal, nach Kathmandu zu gelangen. Am Vortag war seine Maschine zwei Mal von der Kontrolle des völlig überlasteten Flughafens in der nepalesischen Hauptstadt abgewiesen worden. AFP
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