Der persönliche 1. Mai
Ein Ausblick auf den Maifeiertag in Porträtform
Auf die Straße
Nele Schönlein ist Stammgast auf der 18 Uhr-Demo
Der 1. Mai ist fester Termin im Kalender und mitunter Treffpunkt für Bekannte, die man lange nicht gesehen hat. Und selbstverständlich ist er politisch.
»Selbstverständlich.« So kurz, so trocken ist Nele Schönleins* Antwort auf die Frage, ob sie am 1. Mai in Kreuzberg demonstrieren geht. Sie sei ein politischer Mensch, sagt sie über sich selbst, sie sei aktiv, nicht engagiert. »Auf Plena und endlose Diskussionsabende hab’ ich keine Lust.«
Sie ist in Ostberlin geboren und aufgewachsen. Die Parolen der Maifeierlichkeiten kennt sie noch, mehr nicht. »Meine Eltern haben sich dafür nicht interessiert.«
1994 war sie zum ersten Mal dabei. »Das war eine der kleineren Veranstaltungen«, erinnert sie sich. »2300, 2700 Menschen sollen da gewesen sein, hieß es hinterher. Nicht an die Zehntausend wie in den Jahren zuvor.« 1994 war sie 17 Jahre alt. 21 Jahre erster Mai. Einmal hat sie nicht teilgenommen an der Demonstration, vor ein paar Jahren war das, sagt sie. Da lag sie mit einer Grippe flach.
»Wenn du jetzt nach einer Bilanz fragen willst, vergiss es«, lacht Nele und schüttelt den Kopf. Sie sei mal ganz vorn mitgelaufen, mal ganz hinten, die komplette Route oder nur die halbe. Die Stimmung sei immer eine andere. Nachdem sie zwei Jahre nacheinander in eine Krawallgruppe geriet, Freunde mit Kindern auf dem Arm aus den Augen verlor, hat sie überlegt, nicht mehr hinzugehen.
Der 1. Mai in Kreuzberg habe sich natürlich verändert. Aber »das weiß man, sobald man sich dafür ein bisschen interessiert«. Die Befriedungsdebatten rings um das Myfest habe sie in den Zeitungen mitverfolgt. Nur der Vorwurf, der 1. Mai sei nicht mehr politisch, der gehe ihr aber mitunter gehörig gegen den Strich. »Da kommen üblicherweise ein paar tausend Leute. Denen eine politische Aussage und Meinung abzusprechen, bloß weil es zum einen immer Krawalltouristen gibt und zum anderen die Partyzone mit den 2-Euro-Cocktails sich immer weiter ausdehnt – das ist Blödsinn!«
In ihrem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es immer irgendwen, der auch hingeht. Manch einer treffe sich extra am 1. Mai mit alten Bekannten, sagt sie. Ob es prekäre Beschäftigung ist oder der Freund, der sich die Miete nicht mehr leisten kann, »irgendwas ist immer. Irgendwas bewegt die Leute immer«, meint die 38-Jährige. Der 1. Mai ist eine feste Größe in den Kalendern, aber nicht der einzige Tag im Jahr, an dem man demonstrieren geht. Freunde und Bekannte engagieren sich im Kiez, in Mieterinitiativen, in Unterstützergruppen für Flüchtlinge. »Wir sind ja keine politischen Eintagsfliegen.« Lea Sandberg *Name geändert
Erklärbär-Polizisten
Rainer Kazmierky soll am 1. Mai Konflikte entschärfen
Zum Deeskalationskonzept der Berliner Polizei zählen die sogenannten »Polizei Kommunikationsteams«. Die jeweils drei Beamten mit ihren Neonwesten kennt in der Hauptstadt fast jeder.
Zum Gespräch hat Rainer Kazmierky einen kleinen neongelben Sack mitgebracht. Darin sind eine gleichfarbige Weste mit der Aufschrift »Polizei Kommunikationsteam« und eine schwarze Kappe enthalten. Mit den beiden Kleidungsutensilien wird aus dem 52-jährigen Hauptkommissar, der normalerweise im Bereich Prävention tätig ist, ein Konfliktmanager. Die Beamten mit den gelben Westen sind in Berlin ungefähr seit der Jahrtausendwende auf Demonstrationen am 1. Mai im Einsatz.
Kazmierky und seine Kollegen haben sich für diesen Dienst freiwillig und aus Überzeugung gemeldet, um am Maifeiertag Konflikte zu beschwichtigen, bevor sie eskalieren. Wie es in den 80er Jahren war, hat der Herr mit den grau melierten Haaren und Bart und den lachenden Augen am eigenen Leib erfahren. »Ich bin froh, dass sich die Zeiten geändert haben, damals war es wie Krieg«, erinnert sich Kazmierky. »Man hat nie gewusst, ob man wieder heil nach Hause kommt.« Von 400 eingesetzten Polizisten am 1. Mai 1987 etwa wurden 100 verletzt, viele davon schwer.
Dass es heute anders ist, dürfte auch mit den Antikonflikt-Teams von Kazmierky und Co. zusammenhängen. Beim »Myfest« oder den Aufzügen geht der Polizist auf die Menschen zu, sucht den Kontakt. Wo Flaschenverbote gelten, weist Kazmierky auf die Rechtslage hin, dass die als Wurfgeschosse für Polizisten gefährlichen Flaschen aus dem Verkehr gezogen werden, und verteilt Becherchen, damit die Leute dennoch weiter trinken können. Bei alkoholisierten Menschen fällt die Kommunikation nicht immer leicht. »Wir reden mit jedem, der mit sich reden lässt«, sagt Kazmierky. Grundsätzlich brauche man eine positive Einstellung und ein »dickes Fell«. Denn manchmal gebe es auch zu Beschimpfungen. Wenn es zu Gewalt kommt, werden die ungeschützten Beamten in den gelben Westen schnell abgezogen.
Bei den Demonstrationen sind die in einer einwöchigen Grundausbildung geschulten Polizisten meistens als eine Art »Erklärbären« unterwegs. »Wenn die Leute Informationen zeitgerecht erhalten, wird vieles gar nicht hochgekocht«, sagt Kazmierky. Er erläutert dann beispielsweise, warum eine Demonstration gerade wegen der Verkehrssicherheit stillstehen muss.
Dem diesjährigen 1. Mai in Berlin blickt Kazmierky entspannt entgegen. Es ist sein fünfter Einsatz im Kommunikationsteam. Am Ende des Tages war er zwar jedes Mal »ziemlich platt«, aber sinnvoll war der Einsatz für ihn trotzdem immer. Martin Kröger
Lieber im Garten
Peter M. feiert Geburtstag anstatt zu demonstrieren
Am eigenen Geburtstag wird die Familie irgendwann wichtiger als eine Demonstration, die lange nicht mehr politisch ist: Raus ins Grüne lautet die Parole vieler.
»Am 1. Mai bin ich lieber mit der Familie zusammen und bleibe gesund«, sagt Peter M., der am diesjährigen Tag der Arbeit 62 Jahre alt wird. Denn was er von seinen Berufsschülern hört, die er zu Verkäufern in der Lagerhaltung ausbildet, schreckt ihn ab, auf die Straße zu gehen. Da geht Peter lieber in seinen Garten in Berlin-Kaulsdorf, den Grill für Freunde und Familie anschmeißen. Schließlich beginnt mit der wärmenden Mai-Sonne landauf, landab im Wonnemonat auch die langersehnte Grillsaison.
»Mit Demonstrieren hat das heute nichts mehr zu tun«, kommentiert Peter die alljährlichen Geschehnisse, mit denen Kreuzberg in der Vergangenheit berühmt-berüchtigt geworden ist. Zwar ist der 1. Mai in dem Berliner Stadtteil in den letzten Jahren friedlicher geworden, wie auch die Polizei konstatiert. Doch das alte Bild bleibt. »Meist endet das doch nur in Krawall«, meint der Hobbygärtner. Und das lehnt er ab: »Die, die sich an so etwas beteiligen, nehmen keine Rücksicht auf andere. Sie machen kaputt, was andere bezahlen müssen.«
Dabei ist Peter M. an dem Tag einst selbst auf die Straße gegangen. Als er Kind war, gab es am 30. April den Laternenumzug, dann kam die Walpurgisnacht. Als er älter wurde, ging der gebürtige Sachsen-Anhalter auch auf die Mai-Demonstrationen.
»Damals ist man noch als Kollektiv demonstrieren gegangen«, erinnert sich Peter. Da sei man noch anders politisch organisiert gewesen als heutzutage. Doch das Kollektiv zerfiel. Bereits vier, fünf Jahre vor dem Zusammenbruch der DDR wollte der Familienvater nicht mehr am 1. Mai auf die Straße gehen. »Es ging da nur noch um den Erhalt eines Systems«, sagt er. Eines Systems, in dem Menschenrechte verletzt worden seien.
Seitdem feiere Peter M. am 1. Mai vor allem seinen Geburtstag und könne sich freuen, dass er frei habe und mit der Familie zusammen sei. In der Vergangenheit ging es da häufig zum traditionellen Baumblütenfest in Werder an der Havel. Zu der Veranstaltung in dem brandenburgischen Obstanbaugebiet kommen in einer Woche mehrere Hunderttausend Besucher. Doch mittlerweile feiert Peter seinen Geburtstag auch gerne im kleineren Kreis.
Vor wenigen Jahren kaufte er sich nämlich mit seiner Frau ein kleines Grundstück in einer Gartensiedlung. So wird dieses Jahr lieber zu sich nach Kaulsdorf eingeladen. Zehn, 15 Gäste erwartet Peter M. Zuerst kommen am Vormittag Freunde und Bekannte. Nachmittags ist dann die Familie dran. Simon Poelchau
Vernagelt wird nichts
In der Oranienstraße ist Party statt Krawall angesagt
Die Gewerbetreibenden in Kreuzberg sehen dem 1. Mai gelassen entgegen und hoffen auf guten Umsatz.
Der 1. Mai ist auch nicht mehr das, was er mal war, was er zumindest in Kreuzberg war. Findet jedenfalls Anil, der seit 35 Jahren im Fotogeschäft Selcuk in der Oranienstraße arbeitet. Und er ist froh darüber. Keine brennenden Mülltonnen, Autos oder gar Supermärkte mehr, vielleicht noch ein paar vereinzelte Steinewerfer. »Früher, in den 80er Jahren und auch noch Anfang der 90er, da haben wir extra Paletten gekauft, um unsere Schaufenster zu vernageln«, erinnert er sich. Da sei hier richtig Krieg gewesen. Die Polizei hatte alles abgesperrt, setzte Wasserwerfer ein und Tränengas, die andere Seite Barrikaden und Pflastersteine. »Das war wie im Ghetto, keiner kam mehr rein oder raus. Und dort vorn brannte Bolle.«
Dort vorn, an der Kreuzung Oranien-/Skalitzer-/Wiener Straße, ging am 1. Mai 1987 der Bolle-Supermarkt in Flammen auf, entzündet nicht von Demonstranten, sondern von einem Pyromanen, wie sich später herausstellte. Ein Ereignis, das die 'Tradition der Maikrawalle begründete. Heute steht auf diesem Areal das Maschari-Center, ein Komplex aus Büros, Café und vor allem einer Moschee.
Das symbolisiert nicht nur den Wandel des Kiezes, sondern auch der Mai-Rituale. »Vernagelt wird hier schon lange nichts mehr, um unsere ausgestellten Kameras im Schaufenster brauchen wir uns keine Sorgen mehr machen«, sagt Anil. Statt Krawall gibt’s jetzt Party. »Wir freuen uns schon darauf. Die Leute wollen feiern und nicht randalieren.« Irgendwann hätten die Kreuzberger genug gehabt vom Krawall. Wahrscheinlich, als ihre eigenen Autos in Flammen aufgingen und Fenster zu Bruch. Seit 2003 organisieren sie rund um die Oranienstraße ihr »Myfest«.
»Das ist fast wie Karneval der Kulturen, eine bunte Mischung aus allem, was in Kreuzberg Zuhause ist«, schwärmt Anil. 18 Bühnen soll es diesmal geben, Bands aller Richtungen sind vertreten, von Reggae bis Metal. Anil wird sich wohl eher Richtung Mariannenplatz orientieren, wo traditionell die türkischstämmigen Kreuzberger feiern und es vielleicht auch nicht ganz so laut wird. Obwohl seine drei Monate alte Tochter vom Kinderfest dort noch nicht viel mitbekommen dürfte.
Viel Zeit zum Feiern bleibt Anil allerdings nicht, er muss auch arbeiten. Wie immer in den letzten Jahren verkauft Foto Selcuk vor dem Laden Buletten und Getränke. Fast alle Geschäftsleute rings um die Oranienstraße sind dabei. »Wir machen guten Umsatz.« Bernd Kammer
Einstiegsdroge Wurst
Wie ein Gewerkschafter den Tag verbringt
Tim Lubecki ist Sekretär der NGG. Am 1. Mai zeigt sich für ihn, wie viele Menschen die Gewerkschaften tatsächlich auf die Straße bringen.
Nahrung, Genuss, Gaststätten. Die drei Worte machen Lust auf ein Bier und eine Wurst, ob nun mit Aas oder Tofu. Die Anfangsbuchstaben NGG markieren auch den Namen der drittkleinsten der im Deutschen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossenen Gewerkschaften. Für den 1. Mai gehen wir davon aus, dass auf den Straßen und Plätzen der Republik viele Biere und Würste verzehrt werden – viele aus Betrieben, in denen die NGG das Sagen hat.
Tim Lubecki ist Geschäftsführer der NGG Region Schwaben, also in Augsburg und um Augsburg herum. Am 1. Mai wird der Gewerkschafter als Hauptredner auf der DGB-Kundgebung in Nördlingen auftreten. Drei Tage wird er dann in dieser Woche gearbeitet haben, am Montag, am Dienstag und am 1. Mai. Tim Lubecki hat ein kleines Kind und ist in Elternteilzeit.
Er will auch demonstrieren am 1. Mai, der für ihn nicht bloß ein Arbeitstag ist, sondern aus Gewerkschaftssicht »der große Tag der Symbolpolitik«, sagt er. Die großen Auseinandersetzungen werden täglich in den Betrieben geführt. In seinem Fall waren das in den letzten zwei Jahren neben der Zuckerindustrie, dem Bäckereihandwerk und der Brotindustrie prominent immer wieder Burger King und Legoland. »Am 1. Mai zeigt sich, wie viele Menschen bereit sind, in ihrer freien Zeit für die Gewerkschaft auf die Straße zu gehen.« Da zeigt sich auch der Rest eines traditionsreichen sozialen Milieus – in das Lubecki erst hineinwachsen musste, erzählt er. Gewerkschaft kam in seiner Familie, in der sich Lehrer an Beamte an Lehrerinnen reihen, nicht vor. Erst mit seiner eigenen Politisierung in der Hochschulpolitik drängte sich die Gewerkschaft immer mehr ins Bewusstsein. Bis er dann auch auf die Demos ging, mitmachte, sich engagierte und schließlich als Hauptamtlicher anfing für die NGG zu arbeiten – im Übrigen die älteste Gewerkschaft Deutschlands.
Achtung! Sollten Sie am 1. Mai in eine Gewerkschaftsdemo geraten, essen Sie auf keinen Fall eine von diesen roten Würsten, wenn ein zwielichtiger NGG-Geselle Sie Ihnen anbietet. Das könnte unweigerlich zu sozialem Engagement führen. Tim Lubecki könnte ein Lied davon singen, wenn er nicht gerade auf dem Marktplatz von Nördlingen kämpferische Reden schwingt. Jörg Meyer
Ins Büro am 1. Mai!
Demonstrieren am Schreibtisch. Ein Selbstporträt
Im Bus, an der Tanke, im Krankenhaus und beim Bäcker wird auch an Feiertagen gearbeitet. Journalisten indes sind die Unsichtbaren in der Masse der Dienstleister.
Alle hinein zum 1. Mai! Wir JournalistInnen gehören zur Masse derer, die an Feiertagen und Wochenenden schuften müssen. Doch wir bleiben unsichtbar: Wir fahren keine Busse, backen keine Brötchen und bis auf die KollegInnen in den Sendeanstalten sieht und hört man uns nicht. Das ist schlecht, denn Freunde und Familie können sich so nicht merken, dass ich an Feiertagen arbeiten muss.
Am 1. Mai ist das alles ganz besonders schlimm. Vergesst Weihnachten. Die Schwester: traurig, weil ich nicht mit zum Grillen komme. Die GenossInnen: enttäuscht, weil ich nicht zur Demo gehe. »Mein Arbeitsplatz, mein Kampfplatz für den Frieden!« ... »Und für die Revolution! Gegen den Kapitalismus!« Kann ich da lamentieren, es interessiert sie nicht, die Freihabenden, die am Tag der Arbeit nicht arbeiten müssen.
Als Linke am 1. Mai arbeiten zu müssen ist doof. Man darf kurz rein nach Kreuzberg, aber nichts trinken, sich schon gar nicht festquatschen und diskutieren über den politischen Gehalt dieses Spektakels, und erst recht kann man nicht auf dem Spreewaldplatz rumstehen, bis die Demo endlich losläuft, weil man wieder in die Redaktion muss, O-Töne verwerten, Reportagen aufschreiben, knackige Kommentare verfassen.
Und das geht so weiter: Kampftag, 8. / 9. Mai, Christi Himmelfahrt, Pfingsten: Dienstplantetris nennt sich das, was RessortleiterInnen spielen müssen, damit alle am Ende zufrieden sind mit ihren Feiertagsdiensten, Brückentagswünschen und Demonstrationsbegehrlichkeiten. Zum Treptower Park und dem Sowjetischen Ehrenmal ist es vom »nd« auch nicht weit.
»Es lebe der Feiertagsdienst des ›nd‹ und ihrer führenden Kraft: die Wochenendausgabe!« Sarah Liebigt
Arbeit gegen die Arbeit
Konstantin Faigle plädiert für »Frohes Schaffen«
Mit seinem dokufiktionalen Film »Frohes Schaffen« erregte Konstantin Faigle viel Aufmerksamkeit. Sein Credo: Der Mensch ist nicht zur Arbeit geboren, sondern zur Muße.
»Faule Körper verbrauchen weniger Energie!« Eine provokante Aufschrift auf dem Schild, das ein als Jesus verkleideter Mann bei einer 1. Mai-Demonstration emporhält. In einer Diskussion mit einer empörten Gewerkschafterin erklärt er, Jesus sei nie im heutigen Sinne erwerbstätig gewesen, sondern habe seine Arbeitskraft in den Dienst seiner Menschenfreundlichkeit gestellt. So sollten wir es auch heute alle tun. Es ist eine prägnante Szene aus »Frohes Schaffen. Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral«, der einem die Lust auf sinnentleerte Arbeit nehmen will und radikal für den kreativen Müßiggang plädiert.
Den Film gedreht hat Konstantin Faigle, der auch ins Jesus-Kostüm geschlüpft ist. Aufgewachsen in der schwäbischen Provinz, kamen ihm im Gemischtwarenladen seiner Eltern schon früh Zweifel am Sinn der Arbeit als Selbstzweck. Das hat sich bis ins Erwachsenenalter fortgesetzt: »Arbeit ist eine Ideologie, eine Art weltliche Ersatzreligion, die uns Identität, Sinn und Halt gibt – und die absolut keine Ketzer duldet!«
Eben darum will der 43-Jährige dazu anregen, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Arbeit grundlegend zu verändern: »Wir müssen Arbeit nach ihrem Sinn für den Einzelnen und die Gesellschaft bewerten. Das geht nur, wenn wir Arbeit und Muße auf eine Stufe stellen.« Unabdingbar sei es deshalb, den Erwerbsarbeitszwang abzuschaffen.
Einen Versuch, damit weiterhin in das Bewusstsein der Menschen zu dringen, hat Faigle schon in petto: Seine »Akademie zur Senkung der Arbeitsmoral«. Die allerdings befindet sich schon einige Zeit im Gründungsprozess. Denn der kreative Müßiggänger hat gemerkt: Die Arbeit gegen die Arbeit macht viel Arbeit. Christian Baron
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