Linke & Grüne: Tarifeinheitsgesetz verfassungswidrig

Linke: Gabriel und Dobrindt sollten »die Luft anhalten«/ Krellmann: Äußerungen von Ministern sind Eingriff in Tarifautonomie / GDL-Chef Weselsky lehnt Schlichtung mit Bahn ab / Empörung über Arbeitskampf bei Regierungspolitikern und Fahrgastlobbyisten

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Update 17.00 Uhr: Angesichts des erneuten Bahnstreiks haben die Grünen die Bundesregierung aufgefordert, ihr geplantes Tarifeinheitsgesetz fallen zu lassen. »Der einfachste Weg, den Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn zu entschärfen, wäre, das Gesetz zur Tarifeinheit zurückzuziehen«, sagte die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke am Montag in Berlin. Gerade jetzt müsse die Lokführergewerkschaft GDL »größer und mächtiger werden, denn das Gesetz bedroht die Existenz der Berufsgewerkschaften«, sagte Müller-Gemmeke bei einer Experten-Anhörung im Arbeitsausschuss des Bundestages.

Auch der Beamtenbund dbb, der Dachverband der GDL, lehnt jede gesetzliche Regelung von Tarifeinheit ab. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) fordert das Gesetz dagegen, um den Betriebsfrieden zu sichern. Ebenso trat CDU-Generalsekretär Peter Tauber Forderungen entgegen, den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit angesichts der neuen Streiks nachzubessern. »Das ist vereinbart in der Koalition, und wir treiben das entsprechend voran.«

Linke und Grüne lehnen das Tarifeinheitsgesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) als verfassungswidrig ab. Müller-Gemmeke sagte: »Die Bundesregierung plant ein verfassungswidriges Gesetz und weiß eigentlich nicht, warum. Sie ignoriert konsequent die massiven Bedenken von Rechtsexperten und Wissenschaftlern, die dadurch das Streikrecht in Gefahr sehen.« Die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften im Kampf um die Mitglieder werde dadurch verschärft.

Mit dem Gesetz will die Regierung die Macht von Spartengewerkschaften eindämmen. In Betrieben mit mehreren Tarifverträgen für gleiche Beschäftigtengruppen soll nur noch der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten.

Update 16.45 Uhr: Wegen des Lokführerstreiks befürchtet der Güterkraftverkehrsverband BGL Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Treibstoff. In bestimmten Regionen Deutschlands könne es zu Engpässen kommen, sagte BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt. Besonders an Orten, die nicht mit Binnenschiffen beliefert werden oder in der Nähe von Pipelines liegen, könne die Versorgung knapp werden. Ein Streik von ein bis zwei Tagen stelle normalerweise kein Problem dar. Ein fast sechstägiger Ausstand sei aber eine andere Situation.

Update 15.15 Uhr: Die Linkenpolitikerin Jutta Krellmann hat die Bundesminister Sigmar Gabriel (SPD) und Alexander Dobrindt (CSU) aufgefordert, sich aus den laufenden Tarifauseinandersetzungen bei der Bahn herauszuhalten. Beide sollten »einmal die Luft anhalten«, sagte die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag mit Blick auf Äußerungen der Regierungsmitglieder zum inzwischen achten Streik der Lokführer bei der Bahn. »Die Verantwortung der Bundesregierung liegt nicht darin, in die Tarifautonomie einzugreifen, ob nun durch das geplante Tarifeinheitsgesetz oder durch Aufruf zur Mäßigung bei Streiks. Vielmehr läge es in ihrer Verantwortung als Miteigentümerin der Bahn zusammen mit deren Managern tragfähige Lösungen für die Beschäftigten zu finden«, sagte Krellmann. Die Bundesregierung dürfe keine Gesetzesinitiativen wie jene zum umstrittenen Tarifeinheitsgesetz auf den Weg bringen, »die als Brandbeschleuniger in so einer Auseinandersetzung wirken«. Ihre Partei fordere die Koalition auf, »ihr unsägliches Tarifeinheitsgesetz endlich zurückziehen, da dieses den aktuellen Konflikt nur unnötig verschärft«. Der Ärger der Fahrgäste über den Ausstand bei der Bahn solle sich »auf die wirklichen Verantwortlichen in diesem Konflikt richten: Die Bundesregierung und den Arbeitgeber Deutsche Bahn.«

Update 11.36 Uhr: Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, hat eine Schlichtung im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn abgelehnt. »Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten«, sagte Weselsky am Montag in Berlin. Die Bahn verlange immer wieder gleichlautende Tarifverträge für die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die GDL und somit die »Unterwerfung« der GDL unter die Tarifregelungen der EVG. Damit trete die Bahn die grundgesetzlich geschützten Rechte der Mitglieder seiner Gewerkschaft mit Füßen, sagte Weselsky.

Das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main habe der GDL im November gerichtlich bescheinigt, dass sie das Recht zum Streik habe, sagte der Gewerkschaftschef. Er forderte die Bahn auf, die »Spaltung der Lokomotivführer« zu beenden. Für alle Lokführer müsse der einheitliche Flächentarifvertrag gelten - auch für sogenannte Lokrangierführer. Letztere seien eine »Erfindung der Bahn und der EVG«, um »billiger zu produzieren«, sagte Weselsky.

Er warf der Bahn zugleich vor, eine »Schmierenkomödie« aufzuführen. Die Bahnverantwortlichen wollten verhandeln, ohne aber zu einem Ergebnis kommen zu wollen, sagte Weselsky. Sie zögerten die Verhandlungen hinaus, bis der Bundestag im Sommer das Tarifeinheitsgesetz verabschiede. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung Konflikte lösen, die entstehen können, wenn mehrere Gewerkschaften innerhalb eines Betriebs Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe aushandeln. Falls die Arbeitnehmerorganisationen sich nicht untereinander auf eine einheitliche Position einigen, soll notfalls unter Einbeziehung eines Notars die Gewerkschaft mit der größeren Mitgliederbasis ermittelt werden. Die von ihr ausgehandelte Regelung soll dann für alle gelten.

Update 9.40 Uhr: Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, fordert vor dem Hintergrund des neuen Streiks bei der Bahn das Aus des geplanten Tarifeinheitsgesetzes. Die Regierung müsse das Gesetzesvorhaben zurücknehmen, »um diesen verschärften Konkurrenzkampf der Gewerkschaft wegzukriegen«, sagte Hofreiter am Montag im Radiosender NDR Info. Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn geht es auch darum, dass die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) jeweils für Mitarbeiter in den gleichen Aufgabenbereichen Tarifverträge abschließen will. Mit dem Tarifeinheitsgesetz will die Bundesregierung angeblich Konflikte lösen, die entstehen können, wenn mehrere Gewerkschaften innerhalb eines Betriebs Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe aushandeln. Das Gesetz soll im Sommer in Kraft treten. Die GDL wirft der Bahn vor, mit Blick darauf auf Zeit zu spielen. Kritiker meinen, die Novelle schränke die Rechte von Gewerkschaften ein und unterminiere das Streikrecht. Hofreiter erklärte, »das Auftreten der GDL, insbesondere ihres Vorsitzenden, ist oft total ungeschickt«. Die Folgen der Streiks seien unangenehm. Wenn jedoch das Streikrecht davon abhängig gemacht werde, welche Folgen die Ausstände für andere haben, »dann wird es ganz schnell kompliziert«.

Update 7.30 Uhr: Die Berliner S-Bahn hat am frühen Montagmorgen einen Ersatzfahrplan vorgelegt. Er soll wegen des angekündigten Streiks der Lokführergewerkschaft GDL von Dienstagmorgen bis zum Streikende am Sonntagmorgen gelten, teilte die S-Bahn Berlin GmbH mit. Wie schon bei den vorangegangenen Streiks wird die Ringbahn stillgelegt, weil es hier gute Ausweichmöglichkeiten auf U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen gibt. Außerdem fahren die S25, die S47, S75, S8 und S85 nicht. Die S7 bedient nur den Abschnitt zwischen Marzahn und Alexanderplatz, die S5 fährt nur zwischen Strausberg und Alexanderplatz. Auf allen befahrenen Linien gilt ein 20-Minuten-Takt.

Update 6 Uhr: Der Streik der Lokführer stößt bei Regierungspolitikern und Fahrgastlobbyisten auf Kritik. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, er habe »Verständnis dafür, dass viele Bürger über das Ausmaß des Streiks verärgert sind«, sagte Dobrindt der »Bild«-Zeitung. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärte in dem Blatt: »Der Tarifstreit bei der Bahn ist für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen«. Er betonte: »Alle Beteiligten müssen sich fragen, ob der Schaden, den dieser Ausstand anrichten könnte, noch in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung steht. Statt Deutschland lahmzulegen, brauchen wir ernsthafte Verhandlungen.«

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), sagte der »Bild«, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) werde »zu einem Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland«. Die volkswirtschaftlichen Folgeschäden des Streiks seien »gewaltig«, ein Stillstand im Frachtbereich führe schon nach wenigen Tagen »zu millionenteuren Produktionsausfällen«. »Diese Machtspiele eines einzelnen Gewerkschafters sind einfach unerträglich«, kritisierte Fuchs. Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, sieht die Notwendigkeit, das Tarifeinheitsgesetz schnell zu beschließen. »GDL-Chef Claus Weselsky führt scheinbar einen Privatkrieg gegen den Vorstand der Bahn - und das auf dem Rücken der gesamten Bevölkerung. Damit muss jetzt Schluss sein«, sagte Ziemiak. Am Montag gibt es im Bundestag eine Anhörung zu dem Gesetz. Der Deutsche Bahnkunden-Verband kritisierte eine »Schieflage des Arbeitkampfs«. »Es kann nicht sein, dass ein Weselsky bestimmt, ob und wann die Kunden mit der Bahn fahren dürfen«, erklärte der Dachverband für Bahnkunden mit Blick auf GDL-Chef Claus Weselsky am Sonntag in Berlin.

Beamtenbund für Schlichtung nach dem Streik

Berlin. Angesichts des neuen Streiks der Lokführer-Gewerkschaft GDL in dieser Woche macht sich der Vorsitzende des zuständigen Dachverbands Deutscher Beamtenbund (dbb) für eine Schlichtung stark. »Wenn dieser Streik nicht zu einem Verhandlungsergebnis führt, wird es sinnvoll sein, auf einen unabhängigen Dritten zurückzugreifen«, sagte ddb-Chef Klaus Dauderstädt der »Süddeutschen Zeitung« (Montagsausgabe). Die GDL ist Mitglied des dbb. Zuvor hatte auch die Bahn mitgeteilt, sie habe die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu einer Schlichtung aufgefordert. »Bislang ist die GDL nicht darauf eingegangen«, hieß es laut »SZ«.

Die GDL hatte am Sonntag angekündigt, dass am Montag ab 15.00 Uhr der Güterverkehr der Deutschen Bahn bestreikt wird. Ab Dienstagmorgen um 02.00 Uhr sollen Lokführer und Zugbegleiter dann auch im Personenverkehr in den Ausstand treten. Der Streik soll bis Sonntagmorgen um 09.00 Uhr dauern. Am Mittwoch hatte die GDL ein Tarifangebot der Bahn zurückgewiesen.

In dem schon zehn Monate andauernden Tarifkonflikt hatte die GDL bereits sieben Mal den Personen- und den Güterverkehr bei der Deutschen Bahn bestreikt, zuletzt Ende April. Die Bahn verhandelt parallel auch mit der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), weil beide Gewerkschaften sich nicht auf Spielregeln für ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten. EVG und GDL wollen Tarifabschlüsse für alle ihre Mitglieder erreichen, die Bahn will aber unterschiedliche Ergebnisse für ein und dieselbe Berufsgruppe verhindern.

Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky und sein Stellvertreter Norbert Quitter wollen sich am Montagvormittag in Berlin dazu äußern. »Erneut zwingt die Deutsche Bahn die eigenen Lokomotivführer, Lokrangierführer und Zugbegleiter zum Arbeitskampf«, hieß es bei der Gewerkschaft. Der Konzern habe es nach wie vor abgelehnt, mit der Gewerkschaft »Tarifverträge zu schaffen, die für all ihre Mitglieder des Zugpersonals in den Eisenbahnverkehrsunternehmen der DB gelten«, so die GDL.

Immer wieder verlange der Konzern »gleichlautende Tarifverträge, somit die Unterwerfung der GDL unter die Tarifregelungen der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG«, heißt es bei der Lokführer-Gewerkschaft. Damit würden »die grundgesetzlich geschützten Rechte der GDL-Mitglieder mit Füßen« getreten. Die Gewerkschaft befürchtet zudem, »dass in den Verhandlungen keinerlei Ergebnisse erzielt werden sollen. Vielmehr soll der Tarifabschluss bis zum Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes verschleppt werden«.

Sie hatte am vergangenen Donnerstag das neue Tarifangebot der Bahn zurückgewiesen und einen weiteren, langen Arbeitskampf angekündigt. Die Bahn hatte angeboten, die Löhne sollten vom 1. Juli an in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent steigen. Dazu komme eine Einmalzahlung von insgesamt 1000 Euro bis zum 30. Juni. Die GDL fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Ein Knackpunkt für die GDL ist die Einstufung der Rangierlokführer im Tarifgefüge der Bahn. Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Einfluss im Konzern ringt. Zudem will die GdL einen Erfolg erzielen, bevor das kommende Tarifeinheitsgesetz der schwarz-roten Bundesregierung die Macht kleiner Gewerkschaften beschränkt. Agenturen/nd

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