Um die Ehre, statt um Antrittsgelder und Siegprämien
Der GutsMuths-Rennsteiglauf lockt Tausende Lustläufer und ein paar Favoriten
Volkssportveranstaltungen haben meist so viele Helden wie Teilnehmer. Auf den GutsMuths-Rennsteiglauf, Kürzel: GMRL, trifft das ganz besonders zu. Vor allem wegen des »langen Kanten«, ein Supermarathon über 72,7 Kilometer, gilt er in der Szene als härtester Cross Europas. Aber viele hundert Höhenmeter über Schotterwege, häufig noch glitschig, verlangen allen auf allen Strecken alles ab - und alle werden sie daher zu Rennsteighelden.
Dennoch ist dieser Lauf nicht nur Volkssportheldenwiege, sondern auch ernst zu nehmendes Rennen, gelistet in internationalen Tourneen. Und er hat seine Favoriten. Im Supermarathon spitzt sich bei den Männern wohl alles auf Matthew Lynas und Wolf Jurkschat zu, nachdem Dreifachsieger Christian Seiler (der die 72,7 Kilometer im Vorjahr unter fünf Stunden lief!) diesmal zum Marathon wechselt. Seiler hat sicher alle Chancen, auch den Marathon (43,5 Kilometer) zu gewinnen. So wie Nicole Kruhme bei den Frauen den Halbmarathon (21,1 Kilometer).
Alle Genannten starten übrigens für den GutsMuths-Rennsteiglaufverein. Dieser hat sich in den vergangenen Jahren unter Präsident Jürgen Lange, im Zivilberuf leitender Ministerialer in Erfurt, von einem Förderverein auch hin zum echten Sportverein entwickelt. Trotz dieses Wandels wird weiter auf erklärter Breitensportbasis gearbeitet.
Sichtbare Zeichen dafür beim Rennsteiglauf selbst: kein Antrittsgeld, keine Siegprämien. Hier gilt die Ehre noch etwas. Dass die internationale Laufgemeinschaft auch das würdigt, zeigte kürzlich die Internetwahl der entsprechenden Rennsteiglaufdistanz zum »Beliebtesten Marathon Europas«.
Dennoch ist Rennsteiglauf mehr Lauffest, als immer nur feste zu rennen. Sportliche Werte sind natürlich vorausgesetzt, doch ansonsten dominieren Freude, Spaß und Jux. Dafür sorgen besonders Leute wie diesmal der Jenaer Student Martin Schäf. Er wird seine Startnummer 14 330, die laut Reglement auf die Brust gehört, auf dem Rücken tragen. Weil er die Halbmarathonstrecke im Rückwärtslauf absolvieren will. Und er dürfte das packen, denn zu seiner vitalen Sportvita gehören Karate und Geräteturnen ebenso wie Crosstriathlon. Ein bisschen verrückt ist er mit seinem Vorhaben aber schon. Wie alle Rennsteigläufer. Und wie ebenso viele von ihnen auch traditionsbewusst.
Zu der Tradition gehört neben Siegerlisten und einer langen Pleiten-Pech-und-Pannen-Chronik auch die sportkameradschaftliche Basisdemokratie. Die stand Pate zum Beginn in den frühen 70er Jahren in der DDR. Und sie half Fans und Organisatoren, den Rennsteiglauf auch nach dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik am Laufen zu halten, ja sogar an die Spitze der gesamtdeutschen Laufbewegung zu bringen (was bekanntlich keinem anderen DDR-Sportgroßereignis gelang).
Aus aktuellem Anlass, aber nur am Rande erwähnt: Der Deutsche Leichtathletik-Verband will ab 2016 pro Teilnehmer all der Hunderten Laufveranstaltungen im Land eine Art Maut-Gebühr von einem Euro erheben. Bei den meisten Rennsteigläufern dürfte das verwundertes bis ablehnendes Kopfschütteln hervorrufen. Indes hat man in der GMRL-Geschichte schon ganz anderer Unbill widerstanden.
Ein kleines Kapitel dieser Geschichte hat übrigens auch diese Zeitung geschrieben. Die erste Reportage war 1977 erschienen. Dr. Hans-Georg Kremer, einst Mitbegründer des Laufes und längst sein profunder Chronist, legte kürzlich eine Top-Ten-Liste deutscher Medien vor, die über den GMRL seit dessen Gründungsphase berichteten. Nach den vier regionalen Blättern steht »neues deutschland« als erstes überregionales mit 141 Texten auf Platz 5. Zur begleitenden Nähe von »nd« zu diesem Lauf gehört auch, dass sich nunmehr bereits zum zwölften Mal eine »nd«-Rennsteiglaufmannschaft formiert hat. Sie hat viel aktive und einige fördernde Mitglieder. Die aktiven starten am Sonnabend auf sechs der acht Laufstrecken (außer Junior- sowie Special-Cross).
Ehrenkapitän des Teams ist Bob-Doppelolympiasieger Dietmar Schauerhammer. Er tritt damit in die Ehrenamtsfußstapfen von Täve Schur und Waldemar Cierpinski, Gunhild Hoffmeister, Wolfgang Behrendt und Hans Grodotzki. Die Mannschaftstreffs am »nd«-Stand im Zielgelände von Schmiedefeld (13, 14.30 und 16 Uhr) sind übrigens für alle Zuschauer und Autogrammsammler offen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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