Wuselige Gesamtumstände
Der Kinder- und Jugendzirkus Cabuwazi führt Projektwochen mit geflüchteten Kindern durch
Mit einem Zaubertrick versucht der Clown das Mädchen, das in der Manege steht, verschwinden zu lassen. Doch irgendwie will das nicht gelingen: Als er die Decke wegzieht, ist es immer noch da und grinst den Rotnasigen an. Großes Gelächter im rotgelben Zirkuszelt am Görlitzer Park in Kreuzberg.
»Zirkus war immer schon offen für alle«, sagt Karl Köckenberger vor der Vorstellung. Er ist Geschäftsführer von Cabuwazi, einer der größten Kinder- und Jugendzirkuseinrichtungen Europas. Seit Anfang dieses Jahres führt der Verein in verschiedenen Einrichtungen für geflüchtete Menschen Projektwochen für Kinder und Jugendliche durch. Eine Woche lang arbeiten Trainerinnen und Trainer des Vereins mit ihnen, am Ende steht immer eine große Abschlussshow mit Jonglage, Akrobatik und Trampolinspringen - eben allem, was einen Zirkusnachmittag ausmacht.
Der 15-jährige Hussein aus Aserbaidschan ist der älteste an diesem Nachmittag. Er und die 17 anderen Kinder und Jugendlichen leben in der Übergangseinrichtung in der Stallschreiberstraße in Mitte. Die meisten der dort lebenden Familien kommen aus Syrien, Bosnien und Serbien. Hussein hilft drei kleineren Jungen bei einer Akrobatiknummer. Am Ende dieser trägt er einen von ihnen bei der Verbeugung auf seinen Schultern.
»Das Tolle am Zirkus ist, dass dabei jeder seine Stärken und Talente entdecken kann«, sagt Anna Marquardt, eine der beiden Projektkoordinatorinnen bei Cabuwazi. Mit einem mobilen Team besucht sie ganz unterschiedliche Einrichtungen für geflüchtete Menschen: Notunterkünfte, Übergangsheime - »das sind sehr wuselige Gesamtumstände«. Die viel Engagement und Spontanität erfordern. Manchmal verändern sich die Gruppen mit bis zu 30 Kindern jeden Tag: Eltern ziehen von einem zum anderen Tag um, Aufenthaltstitel sind unsicher. Die Freude der Kinder über ihre Show trübt das nicht. »Wir machen mit dem Zirkus ein neues Feld auf. Da gibt es ganz neue Regeln. Wir schauen nicht in die Vergangenheit, das können wir gar nicht leisten. Aber wir schaffen neue Möglichkeiten der Teilhabe und auch der Vernetzung mit der Nachbarschaft.«
Finanzielle Unterstützung erhält das Projekt unter anderem aus dem Programm »Kultur macht stark« der Bundesregierung. Köckenberger hofft, dass diese Unterstützung auch nach 2015 weiter erfolgt. Denn die Geflüchteten und ihre Kinder verschwinden nicht mehr. Egal, wie viele politische Zaubertricks aus dem Hut gezogen werden.
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