Varoufakis: Planen nicht mit Parallelwährung
Griechenlands Wirtschaft schrumpft weiter / Athen nimmt kurzfristig neue Schulden auf / Kritik an Schäubles »unsäglicher Rolle« - Grünen-Politiker Bütikofer: Bundesfinanzminister hat mit Ölkanne hantiert anstatt mit Löschkanister
Update 14 Uhr: In Griechenland schrumpfte die Wirtschaft das zweite Quartal in Folge, zwischen Januar und März um 0,2 Prozent, wie das Statistikamt in Athen mitteilte.
Update 13.30: Athen bereitet sich nach Worten von Finanzminister Yanis Varoufakis nicht auf die Einführung einer parallelen Währung zum Euro vor, um seine Staatsbediensteten bezahlen zu können. »Es gibt keine Lösung mit zwei Währungen. Für die Regierung gibt es nur eine politische Lösung«, sagte Varoufakis Reportern am Mittwoch vor seinem Ministerium. In den vergangenen Tagen waren vor allem in der internationalen Presse Spekulationen erschienen, wonach Athen sich angesichts einer drohenden Staatspleite angeblich auf die Einführung einer Parallel-Währung vorbereite. Eine Parallel- oder Komplementärwährung kann der Anfang für die Einführung einer neuen Währung sein. Der Staat gibt in diesem Fall Schuldscheine (IOU nach dem englischen I owe you - ich schulde Dir) aus, mit denen im Inland Schulden, Renten und Löhne bezahlt werden.
Update 13 Uhr: Griechenland hat sich kurzfristig Geld am Kapitalmarkt besorgt. Wie das Staatsradio am Mittwoch unter Berufung auf die Schuldenagentur PDMA berichtete, konnten insgesamt 1,138 Milliarden Euro für 13 Wochen in Form kurzlaufender Staatspapiere aufgenommen werden. Die Rendite der versteigerten Papiere lag - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,7 Prozent. Athen hat sich das Geld geliehen, weil es am 15. Mai 1,4 Milliarden Euro Schulden refinanzieren muss. In der griechischen Finanzpresse wird damit gerechnet, dass das restliche Geld an diesem Donnerstag in die Staatskasse fließt. Denn dann dürfte Athen wie üblich im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zusätzliche Wertpapiere versteigern.
Griechenland: Kritik an Schäubles »unsäglicher Rolle«
Berlin. Der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer hat das Verhalten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Ringen um die Auszahlung aus dem laufenden Kreditprogramm und die europäische Krisenpolitik scharf kritisiert. »Er hat eine unsägliche Rolle gespielt und oft mit der Ölkanne hantiert anstatt mit dem Löschkanister«, sagte der Sprecher der deutschen Grünen-Delegation im Europa-Parlament der »Allgemeinen Zeitung«. Insgesamt habe die EU Athen »an manchen Stellen zum Sparen gedrängt, an denen Investitionen wichtiger gewesen wären«, sagte der frühere Grünen-Bundesvorsitzende.
Ein Signal an Griechenland, die EU zu verlassen, »würde 65 Jahre Vertrauensaufbau zerstören«, warnte Bütikofer. Es gebe noch genügend Spielraum für Kompromisse. Deutschland müsse bedenken, »dass es auch aufgrund seiner Geschichte Verpflichtungen gegenüber Griechenland haben könnte«, sagte Bütikofer mit Blick auf die Diskussion um mögliche griechische Reparationsansprüche wegen Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
Attac will in Berlin für Schuldenkonferenz demonstrieren
Athen musste für IWF-Rückzahlung Notfallreserve nutzen / Griechenland hat noch für »ein paar Wochen« Geld / Eurogruppe geht nicht auf Regierung in Athen zu / Griechenland zahlt IWF-Kreditrate über 750 Millionen fristgerecht zurück - der Newsblog vom Dienstag zum Nachlesen
Derweil hat Russland Griechenland eingeladen, an der Entwicklungsbank der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) teilzunehmen. Dies teilte das Büro des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras mit. Wie es aus Kreisen der Regierung am Dienstag hieß, werde Tsipras darüber mit russischen Vertretern reden, wenn er am 18. Juni zu einem Wirtschaftsforum nach Sankt Petersburg reist. Die griechische Wirtschaftspresse äußerte Zweifel daran, dass sich die SYRIZA-geführte Regierung in Athen an der Bank beteiligen könnte. Die »New Development Bank« der BRICS-Staaten war 2014 als Alternative zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds (IWF) gegründet worden.
Trotz der Ungewissheit über den Ausgang des Ringens um die Krisenpolitik erwartet der Deutsche Reiseverband (DRV) 2015 mindestens so viele deutsche Griechenland-Urlauber wie im Vorjahr. »Die Buchungen von Veranstalterreisen in Griechenland lagen im Zeitraum von Januar bis April 2015 knapp über den Vergleichszahlen des Vorjahres«, sagte eines Sprecherin des DRV der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. Nach einem starken Nachfragerückgang im Jahr 2012 habe sich das Griechenland-Geschäft wieder deutlich erholt. 2014 hatten die Reiseveranstalter mit 2,5 Millionen deutschen Griechenland-Urlaubern einen Rekord registriert. Das Land liege bei den beliebtesten Reisezielen im Ausland weiterhin auf Platz sieben, sagte die DRV-Sprecherin. »Es gibt viele Stammkunden, die Griechenland sehr schätzen, trotz der Krise«, sagte sie. Agenturen/nd
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