Gold, doch keine goldene Zukunft

Rausch und Ernüchterung in Senegal / Internationale Unternehmen enttäuschten

  • Louisa Prause
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Ausbau der extraktiven Industrien ist ein Lieblingsprojekt des senegalesischen Präsidenten Sall. Traditionelle Goldgräber sind darin nicht vorgesehen. Das sorgt für Konflikte.

Dakar. Die ersten handwerklich betriebenen Goldminen sieht man bereits auf der Straße nach Kédougou: mittelgroße Gruben, nicht besonders tief, daneben ein Haufen Säcke, in die das goldhaltige Gestein gefüllt wird. Es wird in das nahe gelegene Dorf gebracht und dort zerkleinert, gesiebt und gewaschen.

Was im Dämmerlicht der untergehenden Sonne romantisch aussieht, ist für Mensch und Umwelt hochgefährlich. Neun Stufen, erklärt mir einer der Goldgräber, gibt es beim handwerklichen Abbau. Während Phase acht und neun wird das goldhaltige Gestein mit Quecksilber behandelt, das anschließend verbrannt wird. Zurück bleiben das Gold und allzu oft das Quecksilber im Boden, im Wasser, auf den Händen und in den Lungen der Frauen und Männer.

Durch den hohen Goldpreis kommt es in der senegalesischen Provinz Kédougou seit Mitte der 2000er zu einem wahren Goldrausch. Geschätzt wird, dass sich Zehntausende Einwanderer aus der Subregion, insbesondere aus den Nachbarländern Guinea und Mali, aber auch aus Ghana und Burkina Faso, in der senegalesischen Grenzregion befinden, um Gold zu suchen. Mit ihnen kamen neue Fördertechniken.

Die Goldwäsche mit Sieb und Wasser hat in Senegal eine lange Tradition und wird von der lokalen Bevölkerung seit Jahrhunderten während der Trockenzeit praktiziert. Die Zuwanderer aus Burkina Faso und Mali brachten hingegen Quecksilber und Zyanid mit, um das Gold aus dem Stein zu lösen. Diese Techniken sind deutlich effektiver, und billig sind sie auch. Zehn Gramm Quecksilber, erklärt mir Alioune, ein Aktivist aus der Region, bekommt man in Kédougou für rund drei Euro. Der handwerkliche Goldabbau ist dabei längst kein kleiner Nebenverdienst mehr. In einigen der so genannten Diouras arbeiten über 1000 Menschen. Der Jahresumsatz wird auf mehrere hunderttausend Euro geschätzt.

Bei einem Goldrausch sind auch die internationalen Großunternehmen nicht weit. Zusammen mit dem hohen Goldpreis hat Senegal durch eine investorenfreundliche Gesetzgebung das Interesse der Minenunternehmen geweckt. Für etwa 80 Prozent des Départements Saraya, in dem hohe Goldvorkommen vermutet werden, wurden bereits Explorationslizenzen oder Minenkonzessionen vergeben. Die kanadische Firma Teranga Gold betreibt dort die erste industrielle Goldmine Senegals und bemüht sich um eine Ausweitung ihrer Konzession.

Der Ankunft der internationalen Unternehmen wurde in der Region Kédougou, einer der ärmsten Senegals, mit großen Erwartungen entgegengesehen. Arbeit und Verbesserungen für die Infrastruktur erhoffte sich die Bevölkerung. Etwa zehn Jahre nachdem die ersten Unternehmen kamen, sind die meisten Anwohner enttäuscht. Teranga beschäftigt heute zwar etwa 1000 Leute, allerdings nur wenige aus den umliegenden Dörfern und nicht einmal die Hälfte aus der Region. In Sabodala, einem Dorf nur wenige Kilometer von der Goldmine entfernt, beklagt sich der Dorfchef, dass es seit fünf Tagen kein fließendes Wasser mehr gibt. Auch Strom sei nur hin und wieder vorhanden. »Da hinten ist Amerika«, sagt er vor seinem Haus und deutet in Richtung Mine.

Das Gold hat die wirtschaftliche und soziale Struktur der gesamten Region verändert. Die Haupteinnahmequelle vieler Haushalte ist mittlerweile nicht mehr die Landwirtschaft, sondern die Arbeit als Goldgräber. Und ihre Diouras wollen sich die Leute nicht nehmen lassen. »Unsere Väter und die Väter unserer Väter waren Goldgräber. Dank uns wissen die Unternehmen überhaupt, dass es hier Gold gibt«, erklärt mir ein alter Mann im Haus des Dorfchefs von Sabodala.

So wie er sehen das viele hier. Etwa 20 Kilometer von Sabodala entfernt, wehren sich seit 2010 sechs Dörfer gegen die Schließung einer der größten und ältesten Diouras der Region: Gora, die sich im zukünftigen Konzessionsgebiet von Teranga befindet. Mamadou Cissokho, Sprecher der sechs Dörfer bekräftigt, dass man die Dioura nur räumen werde, wenn Staat und Unternehmen einen Ersatzkorridor für den handwerklichen Goldabbau bereitstellen. In den vergangenen Jahren wurden Polizeikontrolleure aus den Dörfern gejagt, und bis heute boykottiert die Bevölkerung Befragungen und Verhandlungen, um so die Konzessionsvergabe an Teranga zu blockieren.

Die Regierung versucht, den handwerklichen Goldabbau zu formalisieren und einzudämmen. Letztes Jahr ließ sie unter Einsatz Tausender Polizeikräfte und des Militärs sämtliche Diouras schließen. Als Anarchie bezeichnen Regierungsvertreter die Situation. Sie verweisen auf Umweltschäden durch die Quecksilbernutzung, die Zunahme der Prostitution und die teils gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Goldgräbern. Auch wenn diese Risiken zweifellos bestehen, die Verteufelung des traditionellen Goldabbaus dient der Regierung auch als Rechtfertigung für die industriellen Minen.

Der Ausbau der extraktiven Industrien ist ein Lieblingsprojekt des senegalesischen Präsidenten Macky Sall. Goldgräber sind darin nicht vorgesehen. Allerdings erwähnt kaum ein Regierungsvertreter, dass in den riesigen Tagebaugruben und auf den Gesteinshalden in den nächsten Jahrzehnten nichts mehr wachsen wird - und das in einer der regenreichsten Regionen Senegals mit einem hohem landwirtschaftlichen Potenzial. Egal auf welche Weise das Edelmetall in den nächsten Jahren aus der Erde geholt wird, es bleibt fraglich, wie es der Region auch zu einer goldenen Zukunft verhelfen soll.

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