GDL-Streik im Güterverkehr angerollt
Bahn gibt Notfahrplan bekannt / Chef der Gewerkschaft der Lokführer, Weselsky: Konzern trägt die Schuld / Bahn: Arbeitskampf ist Schikane / Ersatzfahrplan für S-Bahn in Berlin vorgelegt
Update 17.30 Uhr: Bahnkunden müssen sich angesichts des GDL-Streiks der auch in Bayern auf Verspätungen und Zugausfälle einstellen.
In Bayern soll nach Angaben der Deutschen Bahn im Regionalverkehr jeder zweite Regionalzug fahren, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Das gelte auch für die S-Bahn in München. Wie bei den früheren Streiks der GDL soll während des unbefristeten Streiks auch in Süddeutschland etwa ein Drittel der Fernzüge fahren.
Update 17.15 Uhr: Tausende Pendler und Reisende im Land werden von Mittwoch an wegen des Streiks der GDL wieder aufs Auto umsteigen müssen. Nach Angaben von Bahnsprecher Burkhard Ahlert stellte die Bahn am Dienstag einen Ersatzfahrplan auf, der im Internet einsehbar ist. Er umfasse im Nordosten etwa 15 Prozent aller sonst üblichen Verbindungen im Nahverkehr. Er gilt zunächst bis Freitag.
Viele davon werden als Schienenersatzverkehr gefahren. »Auf den Ersatzfahrplan ist Verlass«, betonte Ahlert in Berlin. Sollten sich Lokführer trotz Streiks zum Dienst melden, würden sie sofort eingeteilt - es könne also auch zusätzliche Verbindungen geben. Nicht vom Streik betroffen sind die Privatbahnen, wie die Odeg und die Usedomer Bäderbahn UBB.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern spart durch den Streik bares Geld. »Das Land muss nur die erbrachte Leistung vergüten«, sagte der Sprecher des Verkehrsministeriums, Steffen Wehner, in Schwerin. Nach einer ersten groben Schätzung seien während der ersten beiden Streikphasen am 22. und 23. April und vom 5. bis 10. Mai etwa 230 000 Zugkilometer von der DB Regio nicht erbracht worden.
Zu bezahlen sei allerdings der von der Bahn organisierte Ersatzverkehr, erklärte Wehner. Unter anderem deshalb sei es zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich zu berechnen, wie viel Geld das Land nicht auszahlen oder zurückfordern werde. Das Land bestellt den Schienenpersonennahverkehr und hat dafür im vergangenen Jahr rund 240 Millionen Euro bezahlt. Das Geld kommt vom Bund.
Update 16.00 Uhr: Die Bahn hat einen Notfahrplan für die Zugverbindungen in Norddeutschland in den kommenden beiden Tagen veröffentlich.
Der Notfahrplan im Norden folgt weitgehend dem Muster, das bereits aus früheren Streikrunden bekannt ist. So fahren die S-Bahnen im Hamburg in einem ausgedünnten 20-Minuten-Takt. Die übrigen Verbindungen im Norden werden überwiegend ebenfalls seltener bedient. Die angezeigten Züge fahren jedoch zuverlässig, die meisten Fahrgäste konnten damit während des vorangegangenen Streiks ihr Ziel erreichen. Bundesweit sollten etwa ein Drittel der Fernzüge, 70 Prozent der Güterzüge und zwischen 15 und 60 Prozent der Nahverkehrsverbindungen fahren.
Update 15.10 Uhr: Alles schaut auf die GDL, dabei wird oft vergessen, dass die Deutsche Bahn ebenso mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG verhandelt. Die dazu am Dienstag in Frankfurt begonnenen Gespräche zu arbeitsrechtlichen Aspekten möglicher Parallel-Tarifabschlüsse haben bislang allerdings keine greifbaren Ergebnisse gebracht. Die Bahn hatte den renommierten Arbeitsrechtler Klaus Bepler dazu gebeten. Zum Ausgang war zunächst nichts an die Öffentlichkeit gedrungen.
Update 13.20 Uhr: Bis zuletzt hofften nicht nur Bahnkunden noch auf eine Schlichtung. Bei Verhandlungen in letzter Minute konnten Bahn und die Gewerkschaft GDL keine Einigung erzielen. Jetzt wird's ernst.
Update 12.30 Uhr: Unmittelbar vor dem neunten Lokführerstreik haben die Gewerkschaft GDL und die Deutsche Bahn noch einmal Gespräche miteinander aufgenommen. An einem nicht genannten Ort in Frankfurt am Main wollten Vertreter beider Seiten am Dienstagvormittag zusammengekommen. Mit am Tisch sitzt der Bahn zufolge der frühere Richter am Bundesarbeitsgericht Klaus Bepler, der im Jahr 2010 mit seinen Urteilen im 4. BAG-Senat die bis dahin geltende Rechtsprechung zur Tarifeinheit gekippt hat.
Über Ergebnisse wurde bis Mittag nichts bekannt. In den Gesprächen soll es darum gehen, wie eine Schlichtung eingeleitet und welche Themen in einem solchen Verfahren verhandelt werden könnten. Zuvor hatte Bahnpersonalvorstand Ulrich Weber zur Frage, ob der angekündigte Streik noch verhindert werden könnte, gesagt: »Das will ich nicht sagen, aber das ist unser Ziel.«
Update 11.40 Uhr: Wie bei allen der vergangenen acht Streikrunden, fragen sich viele Bahnkunden auch nun, wie sie im Fall von Zugausfällen und Verspätungen entschädigt werden. Ein kleiner Leitfaden:
Ab welcher Verspätung bekommen Bahnfahrer eine Entschädigung?
Kommt ein Fahrgast mindestens eine Stunde zu spät am Ziel an, muss das verantwortliche Bahnunternehmen 25 Prozent des Fahrpreises erstatten. Bei zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent. Der Aufpreis für den ICE-Sprinter wird schon ab 30 Minuten Verspätung erstattet. Wird im schlimmsten Fall eine Übernachtung nötig, weil zum Beispiel mehrere Züge ausfallen, muss die Bahn die Kosten für ein Hotelzimmer tragen.
Bei einer zu erwartenden Verspätung von 20 Minuten am Zielbahnhof kann der Fahrgast einen anderen Zug nehmen. Dabei können grundsätzlich auch höherwertige Züge benutzt werden, sofern sie nicht reservierungspflichtig sind.
Wie entschädigt die Deutsche Bahn Pendler mit Zeitkarten?
Besitzer von Streckenzeitkarten erhalten bei Verspätungen von einer Stunde eine pauschale Entschädigung. Bei Zeitkarten im Nahverkehr gibt es in der zweiten Klasse 1,50 Euro. Im Fernverkehr werden pauschal fünf Euro gezahlt. Grundsätzlich werden bei Zeitkarten maximal 25 Prozent des Fahrkartenwertes erstattet.
Die Bahn zahlt Entschädigungen aber erst ab einer Bagatellgrenze von vier Euro. Bahn-Kunden mit Zeitkarten im Nahverkehr müssen also mindestens drei Verspätungen von mindestens 60 Minuten im Gültigkeitszeitraum der Fahrkarte einreichen, um eine Entschädigung zu erhalten.
Können Bahnfahrer bei einer Verspätung auch von einer Reise zurücktreten?
Zeichnet sich eine Verspätung von mehr als 60 Minuten ab, kann der Reisende auf die Fahrt verzichten und den kompletten Fahrpreis zurückverlangen. Ebenso kann er die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt beginnen und dann auch eine andere Streckenführung wählen.
Wird eine Verspätung von 60 Minuten oder mehr erwartet und würde der Fahrgast planmäßig zwischen 0.00 und 5.00 Uhr ankommen, kann er ein anderes Verkehrsmittel nutzen, etwa Taxi oder Bus. Die Bahn erstattet Kosten dafür bis maximal 80 Euro. Das gilt auch, wenn die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages zum Zielort ausfällt und somit das Ziel nicht mehr bis Mitternacht erreicht werden könnte.
Wie kann ich eine Entschädigung beantragen?
Das Beschwerdeformular ist in den Servicezentren der Deutschen Bahn oder im Internet erhältlich. Das Formular können Reisende entweder beim Begleitpersonal im Zug oder in den Fahrkarten-Verkaufsstellen an den Bahnhöfen einreichen. Wer keine Bestätigung für die Verspätung hat, nur eine Kopie der Fahrkarte einreichen will oder etwa eine Zeitkarte besitzt, muss sich per Post an das Service-Center Fahrgastrechte wenden. Entschädigungen muss die Bahn auf Wunsch bar auszahlen, ansonsten als Gutschein oder per Überweisung.
Wo gibt es Hilfe bei Streitfällen?
Die Bahn muss Beschwerden von Fahrgästen in der Regel nach spätestens einem Monat bearbeitet haben. Bei Streitfällen vermittelt die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) zwischen Kunden und Unternehmen. In Nordrhein-Westfalen gibt es zusätzlich auch eine regionale Schlichtungsstelle.
Update 10.40 Uhr: Weil es immer wieder gerne vergessen wird: Beim Konflikt zwischen Bahn und GDL geht es um Inhalte und nicht um Ego-Fragen, wie nicht nur vom Boulevard gerne verbreitet wird. Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn will das Unternehmen möglichst inhaltsgleiche Tarifverträge mit den beiden Gewerkschaften EVG und GDL erreichen. Auf dem Tisch liegen aber sehr unterschiedliche Forderungen, die etwa bei der Schichtplanung zu Schwierigkeiten führen könnten. Die GDL verlangt neben fünf Prozent mehr Geld vor allem eine Arbeitszeitverkürzung um eine auf 38 Stunden, eine Überstundenbegrenzung sowie Verbesserungen bei den Ruhetagen, der Schichtfolge und der Anrechnung von Arbeitszeiten. Die EVG will Fragen zur Arbeitszeit den Betriebsräten überlassen. Ihr Fokus liegt eindeutig auf einer Gehaltserhöhung um 6 Prozent, wobei der geforderte Mindestbetrag von 150 Euro pro Monat die unteren Lohngruppen im Servicepersonal (Reinigung, Sicherheit) besonders bevorzugen würde.
Und nicht zu vergessen: Die GDL ist eines der letzten Bollwerke gegen die Einheitsfront, die das Streikrecht beschneiden will. Dazu ein Dank von Tom Strohschneider.
Update 10.00 Uhr: Vor dem neunten Lokführerstreik ist der Gesprächsfaden zwischen der Gewerkschaft GDL und der Bahn offenbar noch nicht ganz abgerissen. »Wir werden noch im Laufe dieses Tages, nämlich ab 11.00 Uhr, mit der GDL an einem Tisch sitzen«, sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber am Dienstag im ARD-»Morgenmagazin«.
Als Experte ist der frühere Richter am Bundesarbeitsgericht Klaus Bepler hinzugezogen worden, wie die Bahn bestätigte. Er war vor fünf Jahren federführend an den Urteilen beteiligt, mit denen das Bundesarbeitsgericht seine Linie zur Tarifeinheit änderte.
Zur Frage, ob der angekündigte Streik noch verhindert werden könnte, sagte Weber: »Das will ich nicht sagen, aber das ist unser Ziel.«
Update 7.40 Uhr: Unabhängig vom Streit mit der GDL will die Bahn »versuchen, am Donnerstag mit der EVG zu einem Abschluss zu kommen«, wie Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sagte. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dringt auf einen Tarifabschluss für ihre rund 100 000 Mitglieder bei der Bahn an diesem Tag. Für den Fall einer Nichteinigung hat sie ebenfalls mit Streik gedroht. Sie fordert sechs Prozent Einkommenszuwachs, mindestens jedoch 150 Euro pro Monat. Arbeitszeitverkürzungen und Überstundenregelungen wie bei der GDL sind für die EVG keine aktuellen Themen.
Update 7 Uhr: Es gibt bereits einen Ersatzfahrplan für die Berliner S-Bahn. Die genauen Fahrtzeiten sollen am Dienstag im Internet veröffentlicht werden. Im Laufe des Tages dürfte auch der Regionalfahrplan für Brandenburg vorgelegt werden, der am Morgen noch nicht vorlag. Beim vorangegangenen Streik war hier das Angebot deutlich stärker ausgedünnt als bei der S-Bahn. Die S-Bahn wird dem Plan zufolge etwa 35 Prozent ihres Normalfahrplans anbieten können, etwas mehr als beim letzten Streik. So wird die Linie S5 bis Friedrichstraße fahren, wie die Bahn-Tochter am Montagabend ankündigte. Die Linie S7 verkehrt tagsüber von Ahrensfelde bis Charlottenburg. Die Züge auf den Linien fahren im 20-Minuten-Takt. Die Ringbahnlinien S41/S42 verkehren nicht. Nicht bedient werden auch die Linien S45, S47, S75, S85. Auf den Linien S25, S5 und S8 gibt es auf Teilstrecken Ersatzverkehr mit Bussen.
Gewerkschaft der Lokführer starten am Nachmittag Streik im Güterverkehr
Berlin. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer beginnt am Dienstagnachmittag mit einem weiteren Streik im Güterverkehr der Deutschen Bahn. Wann der Ausstand endet, ist offen; dies will die GDL erst 48 Stunden im Voraus mitteilen. Ab Mittwochmorgen um zwei Uhr bestreikt die Gewerkschaft zusätzlich den Personenverkehr, ebenfalls mit unbekannter Dauer. GDL-Chef Claus Weselsky geht davon aus, dass die nunmehr neunten Arbeitsniederlegungen im aktuellen Tarifkonflikt länger dauern als der achte Streik, bei dem die GDL fast eine Woche in den Ausstand getreten war.
Damit wird auch das verkehrsreiche Pfingstwochenende betroffen sein. Die Deutsche Bahn will am Dienstag einen Ersatzfahrplan veröffentlichen. Bei den vorigen Streiks fuhr nach Bahnangaben jeder dritte Fernzug, im Regionalverkehr war es im Osten stellenweise nur jeder zehnte Zug, während in Westdeutschland mehr als die Hälfte fuhr.
Die GDL warf der Bahn vor, kein Interesse an einem Ende des Tarifkonflikts zu haben. Die Bahn verurteilte den Streik »als Schikane für viele Millionen Menschen« und forderte erneut eine Gesamtschlichtung. »Wir sehen uns gezwungen, in die nächste Eskalationsstufe einzutreten«, sagte hingegen GDL-Chef Claus Weselsky. Verantwortlich für den Streik sei der Bahn-Konzern. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.