6500 Euro für die Überwachung Österreichs
Grünen-Politiker enthüllt Spionage-Vertrag zwischen BND und Telekom
Bei der Spionage in Österreich greift der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) auf die Mitarbeit der Deutschen Telekom zurück. Ein am Montag veröffentlichter Vertrag belegt, wie das Unternehmen mindestens seit 2004 Daten aus eigenen und fremden Netzen an den BND liefert.
Der österreichische Grünen-Abgeordnete Peter Pilz und die Wiener Neue Kronen Zeitung (Krone) haben am Montag den »Geschäftsbesorgungsvertrag 'Transit'« zwischen BND und Telekom öffentlich gemacht. Unter der Überschrift »So wurden wir von den Deutschen ausspioniert« ist auf der Website der Zeitung eine Kopie Dokuments zugänglich, das offenbar belegt, wie die Telekom eigene Kunden und Kunden anderer Unternehmen in Österreich im Auftrag des BND ausspionierte.
Nicht nur Telekom-Kunden betroffen
In dem Vertrag verspricht die damalige Festnetzsparte der Telekom T-Com ab dem 1. Februar 2004 sämtlichen Transitverkehr (also Deutschland die nicht aus Deutschland kommen oder gehen) an den BND weiterzuleiten. Betroffen dürften dabei nicht nur Kunden der Telekom sein. Das Unternehmen scheint sich auch zur Beschaffung von Informationen aus fremden Netzen zu verpflichten.
In dem sieben-seitigen Dokument ist von »Beschaffung von Informationen … aus allgemein zugänglichen sowie interne Informationsquellen« die Rede. Weiter heißt es, die Telekom verpflichte sich zur »planungsmäßigen Umsetzung von auftragsrelevanten Intentionen in technisch realisierbaren Anwendungen«. Die Telekom will »bauliche und technische Maßnahmen« durchführen, »die für die Aufklärung notwendig sind«. Außerdem sollen Mitarbeiter des BND durch die Telekom beraten und fortgebildet werden.
Spionage nur bei Unternehmensinteressen eingeschränkt
Eine Einschränkung der Spionage hinsichtlich der betroffenen Personen in Österreich sieht der Vertrag nicht vor. Lediglich sofern »Unternehmensinteressen oder Interessen einer anderen Gesellschaft des Konzerns Deutsche Telekom« kann die Telekom dem BND die Weitergabe von Daten verwehren.
Auch zur Weitergabe der Daten an andere Geheimdienste wie die NSA findet sich in dem Vertrag keine Einschränkung. Der BND verpflichtet sich lediglich »erworbenes Wissen nicht einem zur Auftragnehmerin [Telekom] in Konkurrenz stehenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen.«
6.500 für ein ganzes Land
Überraschend ist der geringe Preis für den die Telekom die österreichischen Daten für den BND beschafft. 6.500 Euro erhält das Unternehmen monatlich. Allerdings lässt der Vertrag die Möglichkeit offen, die Honorierung jährlich neu zu regeln. Hinzu kommen außerdem Kosten, die weit höher liegen dürften. Erwähnt wird die Vergütung von »zu beschaffender Fernmeldetechnik« und Kosten für »bauliche Erweiterungen« und »Beratungsleistungen«, die nach gegenseitiger Abstimmung »angemessen vergütet« werden sollen.
Über den Vertrag war nach Angaben der Krone auch das Bundeskanzleramt infomriert. Gegenüber der Zeitung sagte Pilz am Montag: »Das ist ein absolut gesetzwidriger Vertrag zwischen einem Geheimdienst und einer Telekomfirma zur Aushebelung des geltenden Fernmeldegesetzes«.
Die Deutsche Telekom hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Gegenüber Spiegel Online erklärte ein Sprecher, man habe sich an deutsches Recht gehalten und »lediglich die Weiterleitung des gesamten Internetverkehrs der betreffenden Leitung an den BND technisch sichergestellt.« Ob die Daten an die NSA weitergeleitet worden seien, wisse man nicht.
Grünen-Politiker hatte bereits interne E-Mail veröffentlicht
Pilz hatte bereits vergangenen Freitag ein Dokument veröffentlicht, dass die Abhöraktionen des BND in Österreich belegt . Aus der der internen E-Mail der Telekom geht hervor, dass Daten auf der Glasfaserleitiung Luxemburg-Wien vom BND im Jahr 2005 gesammelt wurden. Ein Mitarbeiter im Frankfurter Internetknoten informiert dort, dass Daten über die Leitung wieder abgehört werden könne.
Die Spionage soll im Rahmen der Operation »Eikonal« erfolgt sein. »Die Daten der Telekom Austria wurden am Internetknoten Frankfurt über das BND-Büro in der Deutschen Telekom AG ausgeleitet, dupliziert, nach Pullach in die BND-Zentrale weitergeleitet und von der Technischen Aufklärung des BND in Bad Aibling der NSA für den automatisierten Zugriff zugänglich gemacht«, erklärte auf einer Pressekonferenz am Freitag.
Anzeige gegen Mitarbeiter von BND und Deutscher Telekom
Schon vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass der BND österreichische Politiker und Unternehmen im Auftrag der NSA abhört. Die österreichische Regierung hatte daraufhin Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Regierung und Opposition in Deutschland streiten momentan um die Veröffentlichung der Liste der fraglichen Suchbegriffe (Selektoren), die unter anderem Telefonnummern oder E-Mail-Adressen von Zielpersonen, und nähere Informationen über das Ausmaß der Abhörpraxis und betroffene Personen geben könnten. Unionspolitiker wollen die Suchbegriffe dem Parlamentarischen Kontrollgremium NSA-Untersuchungsausschuss nicht ohne Zustimmung der NSA zu Verfügung stellen.
Die Einrichtung eines solchen Untersuchungsausschuss fordert Peter Pilz nun auch im Wiener Bundesparlament. Außerdem wolle er Strafanzeigen wegen Spionage gegen Mitarbeiter des BND und der Telekom stellen. Am Dienstag will Pilz in Berlin vor die Presse treten und weitere Informationen zur Spionageaktionen des BND vorlegen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.