Eckwerte für größere Landkreise

Innenminister Schröter stellte Leitbildentwurf für geplante Verwaltungsreform vor

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Gemeinden sollen freiwillig fusionieren, Kreise werden gezwungen. Rot-Rot plant eine Verwaltungsreform als großen Wurf.

Die beabsichtige Verwaltungsreform, deren Kernpunkt ein Neuzuschnitt der Landkreise ist, nimmt Formen an. Den Entwurf eines Leitbildes dafür stellte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Dienstag zunächst im Landtag der SPD- und der Linksfraktion vor, danach dem rot-roten Kabinett.

Das Leitbild, über das bis Mitte 2016 intensiv diskutiert werden soll, enthält keine neuen Landkarten, sondern als Beispiele nur bereits bekannte Modelle für die Neuaufteilung des Landes. Entscheidend sind die Eckwerte für die neuen, größeren Landkreise, die 2018 beschlossen und 2019 gebildet sein sollen. Die neuen Kreise sollen im Jahr 2030 wenigstens 175 000 Einwohner zählen und nicht größer als 5000 Quadratkilometer sein. Falls ein Kreis größer als 5000 Quadratkilometer ausfallen müsste, um die geforderte Einwohnerzahl zu erreichen, wäre ausnahmsweise eine Mindestbevölkerung von nur 150 000 Menschen zulässig.

Auf 175 000 Einwohner kann bis 2030 den Prognosen zufolge von den kreisfreien Städten lediglich Potsdam kommen. Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel müssten mit umliegenden Landkreisen fusionieren. Dabei soll gelten, dass Städte das Umland nicht dominieren dürfen. So soll es nicht sein, dass beispielsweise in der Stadt Cottbus mehr Menschen leben als im Rest des Landkreises, zu dem Cottbus dann gehört. Das bedeutet konkret, dass eine Fusion allein mit Spree-Neiße nicht ausreicht. Es müsste weiteres Gebiet mit weiteren Einwohnern dazukommen.

Die Koalitionsvereinbarung von SPD und LINKE sieht vor, dass es statt 18 bloß noch sieben bis zehn Kreisverwaltungen geben soll. Die Marken des Leitbildentwurfs erlauben acht bis zehn - die Landeshauptstadt Potsdam als weiterhin selbstständiges Gebilde mitgerechnet.

Ein wichtiger Antrieb für die Reform ist die desolate finanzielle Situation von Brandenburg/Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder). Je Einwohner sind diese Städte mit 2740 Euro beziehungsweise 2439 und 2367 Euro verschuldet. Das summiert sich auf mehr als 600 Millionen Euro. Zum Vergleich: Oberhavel hat eine Pro-Kopf-Verschuldung von lediglich 20 Cent. Um den neuen Landkreisen die 600 Millionen nicht aufzubürden, sollen die genannten Städte teilentschuldet werden. Dabei ist an eine Umverteilung der Mittel für Brandenburgs Kommunen gedacht. Daneben schwebt dem Innenministerium vor, dass jeder jetzige Landkreis und jede heute kreisfreie Stadt als Anschubfinanzierung fünf Millionen Euro vom Land erhält. Nur Potsdam wäre außen vor, da sich für Potsdam nichts ändert.

Innenminister Schröter trug den Koalitionsfraktionen auch seine Idee vor, die Bürger bei der Kommunalwahl 2019 gleich mit über die Kreisstädte entscheiden zu lassen. SPD-Fraktionschef Klaus Ness und Linksfraktionsvize Ralf Christoffers können sich dafür erwärmen. Ness erwartet noch »muntere Diskussionen« und rechnet damit, dass »populistisch vom drohenden Heimatverlust fabuliert wird«.

Die Koalition verfügt im Landtag nur über eine Mehrheit von drei Stimmen und ist darauf angewiesen, die Abgeordneten aus Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel von der unbedingten Notwendigkeit der Reform zu überzeugen. »Wenn jetzt schon in der Linksfraktion alle wie ein Mann hinter dem Leitbildentwurf stehen würden, wäre es ja keine offene Debatte«, bemerkte der Vizevorsitzende Christoffers. Er machte deutlich, dass es bei der Reform darum gehe, die Daseinsvorsorge zu sichern. Er nannte Krankenhäuser und Schulen.

Die Zuschüsse an Kommunen beruhen vor allem auf der Einwohnerzahl. Ein Landkreis wie die Prignitz hätte jedoch im Jahr 2030 nur noch 60 000 Einwohner. Bei sinkender Bevölkerungszahl steigen die durchschnittlichen Verwaltungskosten. Um dies zu illustrieren, berichtete Ness, dass Oberhavel derzeit mit vier Mitarbeitern der Kreisverwaltung je 1000 Einwohner auskomme, die Prignitz dagegen jetzt schon sechs benötige.

Zur Verwaltungsreform gehört das Abgeben von Aufgaben an die Kommunen. So soll der Landeswald weiter vom Land bewirtschaftet werden. Etwa um die Genehmigung von Holzeinschlag und Fahrten durch den Wald, um Naturschutz und Waldpädagogik sollen sich künftig aber die Landkreise kümmern. Auch die Beschäftigten des Landesamtes für Versorgung und Soziales, die vor allem Schwerbeschädigungen feststellen, sollen perspektivisch auf die Kommunen verteilt werden. Derartiges hätte zur Folge, dass Hunderte Landesdiener neue Arbeitsplätze bekommen und plötzlich 100 Kilometer entfernt von ihrem Wohnort arbeiten sollen. Älteren, die wegen ihres Häuschens nicht umziehen möchten, könnte ein Mobilitätszuschlag gezahlt werden. Die Regierung will den Gewerkschaften anbieten, Ende 2015 über einen Tarifvertrag mit solchen Regelungen zu verhandeln.

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