BND-Affäre: Koalition für Grünen als Sonderermittler
Vorstoß stößt auf Ablehnung bei SPD und Grünen / Streit in der Regierung: Merkel spricht Gabriel das Vertrauen aus / Kauder: »Totale demokratische Kontrolle« des Geheimdienstes geht nicht
Berlin. In der BND-Affäre wird nun über den Vorschlag eines Sonderermittlers diskutiert. Wie die »Leipziger Volkszeitung« berichtet, könnte ein ehemaliger Spitzenpolitiker der Grünen mit Regierungserfahrung als Ermittlungsbeauftragter Einblick in die einschlägigen Unterlagen und Selektorenlisten erhalten. Nach engen Kontakten auch mit den Fachpolitikern des Bundestages will die von Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) geführte Bundesregierung diesen Vorschlag jetzt dem Parlament und den Kontrollgremien machen.
Laut dem Bericht stehe auf der informellen Wunschliste für die Besetzung der Jurist, frühere Bundestagsabgeordnete und ehemalige Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland. Es müsse jemand »mit Regierungserfahrung, mit nachgewiesener Unabhängigkeit, mit juristischer Sachkenntnis« sein, dessen Berufung sich auch für Koalition wie Opposition anböte, wurde der konkrete Vorschlag für Wieland begründet. Den Informationen zufolge gilt Wieland bei wichtigen Vertretern der Koalition auch als Favorit für den angedachten Posten eines allgemeinen Geheimdienstbeauftragten des Bundestages nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten.
Der Vorschlag eines Sonderermittlers stößt im Bundestag allerdings auf Widerstand - nicht zuletzt bei den Grünen. »Ich halte davon gar nichts, und zwar völlig unabhängig von der Person«, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz zu »Spiegel Online«. Auch bei der SPD gab es Skepsis. »Das Parlament muss die Listen in den zuständigen Gremien, also im Untersuchungsausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium sehen«, sagte von Notz. Er gehe davon aus, dass ein Sonderermittler dem Kontrollgremium und dem Untersuchungsausschuss umfassend berichten würde und den Mitgliedern der Gremien auch Details der Liste offen legen würde, sagte der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka. »Sonst macht das wenig Sinn.«
Unterdessen bekannte sich Merkel ungeachtet der jüngsten Querelen zur Koalition mit der SPD. Sie sehe die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit als gegeben an, sagte sie vor Journalisten in Berlin. Auf die Frage, ob es innerhalb der großen Koalition angesichts der SPD-Kritik auch wegen der NSA/BND-Affäre noch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Sigmar Gabriel gebe, sagte sie: »Die Frage kann ich mit einem schlichten Ja beantworten.«
Zuvor hatten Unionspolitiker die Sozialdemokraten vor einem Koalitionsbruch gewarnt. »Wenn die SPD bei ihren Umfragewerten auf Neuwahlen hinarbeiten möchte, kann ich nur viel Glück wünschen«, sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) der »Bild« vom Dienstag. Die SPD solle angesichts ihres Umfragetiefs lieber keine Attacken reiten, sagte auch Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). An einer Diskussion über Neuwahlen wolle er sich aber nicht beteiligen, sagte er mit Blick auf die Äußerung von Fuchs. Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach sich gegen eine Aufkündigung der großen Koalition und mögliche Neuwahlen aus. »Wenn man unterschiedlicher Meinung ist, trennt man sich nicht gleich«, sagte sie vor Journalisten. »Das trägt man aus.« Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach von »schwierigen Tagen« in der Koalition und kündigte Beratungen über eine bessere Geheimdienstkontrolle für die Zeit nach Pfingsten an.
Der NSA-Untersuchungsausschuss wird auf einer Sondersitzung am Mittwoch mehrere BND-Mitarbeiter befragen, bevor am Donnerstag BND-Präsident Gerhard Schindler dem Ausschuss Rede und Antwort stehen wird.
Bei der Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste sind nach Worten von Unionsfraktionschef Volker Kauder keine raschen Entscheidungen zu erwarten. »Darüber werden wir uns in der Koalition, in den Koalitionsfraktionen nach der Pfingstpause ausführlich unterhalten«, kündigte der CDU-Politiker am Dienstag in Berlin vor einer Sitzung der Unionsfraktion an. »Wir haben noch keine endgültigen Vorstellungen, wie das aussehen soll, da müssen wir uns noch sehr intensiv darüber unterhalten«, sagte Kauder. Eine »totale demokratische Kontrolle« werde es aber nicht geben können. Dafür müsste das Thema im Plenum behandelt werden, dem stehe aber die Geheimhaltungsbedürftigkeit entgegen. Derzeit gibt es im Bundestag ein geheim tagendes Gremium zur Geheimdienst-Kontrolle. Agenturen/nd
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