Lachen über Flüchtlingsfeinde

Die Ausstellung »Willkommen in Brandenburg?« zeigt Karikaturen zur Asylpolitik

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Karikaturen zur Asylpolitik und Erfahrungsberichte ehrenamtlicher Helfer präsentiert die Landeszentrale für politische Bildung. Die Ausstellung wurde am Dienstagabend in Potsdam eröffnet.

Ob man denn angesichts schlimmer Zeiten und Zustände überhaupt noch Witze reißen dürfe, wird der Kabarettist Dieter Nuhr oft gefragt. Seine Antwort: Man kann und muss sogar.

Ob Meldungen über Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken, über Brandanschläge auf Asylheime, über Demonstrationen gegen Asylbewerber und über Morddrohungen gegen Politiker in Karikaturen dargestellt und kommentiert werden können, fragt Martina Schellhorn von der Landeszentrale für politische Bildung. »Ja, sagen die hier versammelten Zeichner und entlarven mit ihren Mitteln offensichtlichen und verdeckten Fremdenhass, stoßen Autoritäten vom Sockel und kritisieren politische Entscheidungen.«

Gemeint sind sechs bekannte Karikaturisten, die ihre Zeichnungen für die Ausstellung »Willkommen in Brandenburg?« zur Verfügung stellten. Es sind Barbara Henniger, Gerhard Mester, Burkhard Mohr, Ioan Cozacu alias NEL, Heiko Sakurai und Klaus Stuttmann. Die Ausstellung wurde am Dienstagabend in der Landeszentrale in Potsdam eröffnet. Auf zwei Räume verteilt sind dort herrliche Karikaturen zu sehen - und darauf immer wieder Boote voller Flüchtlinge. Einige Boote sinken. Der Sensenmann beruhigt sarkastisch: »Keine Sorge, liebe Flüchtlinge! Ich bin euer neuer Käpt›n und werde das Schiff als letzter verlassen!« (Sakurai).

Manches Boot wird gesichtet. Die Reaktion im U-Boot »EU«: »Komm, lass uns schnell abtauchen« (NEL). Kanzlerin Merkel ruft vom Schiff »Germany«: »Haben Sie auch ausländische Fachkräfte an Bord?!« Und nach dem Zuruf »Boot mit Flüchtlingen voraus« befiehlt ein Steuermann: »Volle Kraft zurück!« (Mohr).

Die Szenen an Land sind genauso tragikomisch. Da begrüßt einer von zwei glatzköpfigen Wachleuten die Ankommenden, die in ihrer Heimat womöglich gefoltert worden sind, lässig mit einem Baseballschläger in der Hand: »Hallo Kanaken, willkommen im Flüchtlingsheim. Wir sind euer Sicherheitsdienst und werden alles dafür tun, damit ihr euch fühlt wie zu Hause.«

Beim Betrachten kichern Besucher der Ausstellung. Ein Rentner fragt sich laut, ob dies eigentlich angebracht sei, ob man bei einem solchen Thema wirklich lachen könne. »Doch, natürlich«, versichert ihm Hans-Joachim Neyer, ehemaliger Direktor des Wilhelm-Buch-Museums Hannover, das die mit mehr als 35 000 Blättern größte Karikaturensammlung der Welt beherbergt. Der Experte amüsiert sich sehr, als er die Potsdamer Ausstellung am Dienstagabend anschaut - unmittelbar bevor er zur Eröffnung redet. Zum Beweis, wie die Karikaturen die Lachmusekeln anregen, führt Neyer den skeptischen Rentner vor eine Arbeit von NEL. Dieser zeichnete eine Anwohnerversammlung und dazu die Sprechblase: »Wir sind gegen das Asylantenheim hier bei uns. Wir sind ein Nichtraucherviertel.«

Ganz ernsthaft geht es zu bei den Porträts von Ehrenamtlichen, die sich in Brandenburg um Flüchtlinge kümmern. Die Erfahrungsberichte dieser Menschen, die Stefan Gloede fotografiert hat, ergänzen die Ausstellung. Da ist die 70-jährige Psychotherapeutin Hilde Leiser-Kilian, die in Neuruppin eine Familie aus Afghanistan betreut.

Da ist die Försterin Kristina Wendt, die sich erinnert, wie es war, als 17 Flüchtlinge aus Syrien und Serbien in einem leer stehenden Wohnblock in Wolletz in der Uckermark untergebracht worden sind. Vorher gab es eine Ortsversammlung. »Manche haben richtig Dampf abgelassen«, sagt Wendt. »Ich habe versucht, die Leute zu informieren und ihnen die Angst vor dem Fremden und Unbekannten zu nehmen. Mein Motto war, auch wenn wir nicht Hurra schreien, wir werden das Beste daraus machen und zu den Flüchtlingen freundlich sein.« Töpfe, Handtücher, Wäsche und andere Dinge wurden dann gespendet.

Der Biobauer Stefan Palme betreut in Wilmersdorf in der Uckermark eine syrische Familie. Offene Ressentiments hat er nicht erlebt, aber die Stimmung im Dorf sei »eher negativ« gewesen, schaut er zurück. Allein schon, dass die Flüchtlinge Handys hatten, habe für Unverständnis gesorgt. »Wenn einer ankommt in Lumpen und nichts hat und nichts kann, dann wird gesagt: ›Guck, der liegt uns auf der Tasche‹«, erzählt Palme. »Und wenn sie hierher kommen und eine Qualifikation haben, dann heißt es wieder: ›Wozu brauchen die überhaupt unsere Hilfe?‹ Solche Äußerungen musste man sich dauernd anhören.«

Unter den Helfern in Brandenburg gibt es auch welche mit Migrationshintergrund wie Martin Nguyen. Der 19-jährige Abiturient engagiert sich in der Initiative »Willkommen in Falkensee«. Sein Vater kam einst als Vertragsarbeiter aus Vietnam in die DDR. Die Lehrerin Raida Albayekni flüchtete 2011 aus Libyen. Die heute 52-Jährige bekam Asyl in Deutschland und gibt nun in Luckenwalde Arabischunterricht für Flüchtlingskinder.

Voraussichtlich 13 900 Flüchtlinge muss Brandenburg im laufenden Jahr aufnehmen. Muss? Es darf. Denn das Land könnte sich doch auch freuen über diese Bereicherung. Seite 11

»Willkommen in Brandenburg?«, bis 17. September, Mo. bis Mi. von 9 bis 18 Uhr, Do. und Fr. bis 15 Uhr, Potsdam, Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107 (Haus 17)

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