Knappe Mehrheit unterstützt SYRIZA-Verhandlungskurs

Große Mehrheit gegen neue Sozialkürzungen / Zugeständnisse ja, aber auch rote Linien: Tsipras verteidigt Kurs vor Führungsgremium von SYRIZA / Medien sprechen von »Kraftprobe« mit linkem Flügel

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Update 20 Uhr: Im Führungsgremium von SYRIZA ist am Sonntag die bisherige Linie in den Verhandlungen mit den Gläubigern unterstützt worden. Ein Beschluss erhielt die Mehrheit, in dem es heißt, wer im In- und Ausland glaube, er könne Griechen demütigen, der spiele »mit dem Feuer«. Die Regierung werde kein neues Memorandum, so werden in Griechenland die verhassten Kürzungsauflagen der Kreditgeber genannt, unterzeichnen. Dies bedeute jedoch nicht, dass die SYRIZA-geführte Regierung keine Lösung anstrebe, die zum Vorteil beider Seiten (Gläubiger und Athen) sei, hieß es weiter. Zuvor hatte die Linke Plattform für eine härtere Gangart plädiert. Auf dem Flügel wird schon länger etwa die Streichung aller Schulden, ein Stopp der Privatisierung von Staatsunternehmen, eine Verstaatlichung der Banken und eine harte Besteuerung großer Vermögen gefordert. Das wird von der SYRIZA-Mehrheit zwar unterstützt, aber es gibt unterschiedliche Ansichten über das aktuelle Vorgehen. Ein Antrag der Linken Plattform wurde Berichten zufolge am Sonntag mit 95 zu 75 Stimmen zurückgewiesen.

Update 16.20 Uhr: Eine Mehrheit der Griechen unterstützt den Verhandlungskurs der SYRIZA-geführten Regierung mit den Gläubigern. In einer neuen, am Sonntag von der regierungsnahen Zeitung »Avgi« veröffentlichten Umfrage, erklärten 54 Prozent, sie seien trotz der Spannungen mit der Politik der Regierung gegenüber den Gläubigern zufrieden. 59 Prozent glaubten demnach, dass Athen nicht den Forderungen der Gläubiger nachgeben müsse. 89 Prozent sprachen sich gegen Rentenkürzungen, 81 Prozent gegen neue Entlassungen aufgrund von Kürzungen im öffentlichen Sektor aus. Letzteres sollen die Gläubiger Berichten zufolge fordern, insgesamt geht es angeblich um Budgetkürzungen von fünf Milliarden Euro. 71 Prozent der Griechen sprachen sich in der Umfrage gegen einen Ausstieg des Landes aus dem Euro aus. 68 Prozent meinten, eine Rückkehr zur Drachme werde die wirtschaftliche Lage verschlechtern.

Update 15.40 Uhr: Griechenland hat noch einmal bekräftigt, dass es sich fällige Rückzahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht leisten kann, wenn es zuvor keine Lösung mit den Gläubigern gibt - was dann erst Auszahlungen aus dem bisher blockierten Kreditprogramm ermöglichen würde. Konkret geht es um rund 1,5 Milliarden Euro, die im Juni an den IWF zurückzuzahlen sind - davon 300 Millionen Euro bereits am 5. Juni. »Ich will klar sein: Dieses Geld werden wir nicht geben, weil wir es nicht haben«, sagte Innenminister Nikos Voutsis am Sonntag im griechischen Fernsehen MEGA. Er gehört zur Regierungspartei SYRIZA von Regierungschef Alexis Tsipras. Die Äußerung ist an sich keine Überraschung, zumal aus politischen Gründen eine Auszahlung aus dem laufenden Kreditprogramm an Athen verweigert wird. Auch hatten sich anderen Politiker Griechenlands in den vergangenen Tagen bereits ähnlich geäußert. In deutschen Medien sind die Worte von Voutsis abermals als »Drohung« bezeichnet worden.

Update 11.45 Uhr: Der griechische Botschafter in Deutschland, Panos Kalogeropoulos, soll offenbar ausgetauscht werden. Wie der »Tagesspiegel« unter Berufung auf griechische Diplomatenkreise berichtet, herrscht im Athener Außenministerium Unzufriedenheit mit dem Auftreten von Kalogeropoulos. Der Botschafter vertrete die Positionen der SYRIZA-geführten Regierung nicht nachdrücklich genug, hieß es. Kalogeropoulos hatte seinen Posten erst vor wenigen Monaten angetreten, er wurde noch von der konservativen Vorgängerregierung unter Antonis Samaras benannt. Angeblich stehen auch die Botschafter in Washington und London zur Disposition. Anfang Juni soll offiziell über die Besetzung der drei Vertretungen entschieden werden.

Update 10.50 Uhr: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat von der SYRIZA-geführten Regierung in Athen die Erfüllung des vereinbarten Kreditprogramms »im Wesentlichen« verlangt. Dies habe die Regierung »zuletzt am 20. Februar in der gemeinsamen Erklärung der Eurogruppe wieder bestätigt«. Der »erfolgreiche Abschluss des Programms ist die Voraussetzung für alles, was danach kommen kann oder auch nicht kommen kann«, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. »Die Probleme haben ihre Ursachen in Griechenland. Griechenland hat mehr Hilfe bekommen, als jedes andere Land. Auch das müssen die Verantwortlichen in Griechenland dem griechischen Volk sagen«, erklärte Schäuble. Der Minister lehnte es ab, über eine abermalige Verlängerung des laufenden Kreditprogramms nachzudenken. Man brauche »nicht über Alternativen zu reden«.

Tsipras lehnt »demütigende Bedingungen« ab

Berlin. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat vor dem Führungsgremium seiner Linkspartei SYRIZA den Kurs in den Gesprächen mit den Gläubigern verteidigt. Tsipras erklärte bei der Eröffnung der Sitzung des Zentralkomitees, mit der Verhandlungstaktik seiner Regierung habe Athen »vieles erreicht«. Voraussetzung für eine für alle Seiten günstige Lösung seien zunächst weniger ehrgeizige Haushaltsziele, eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten und eine »Umstrukturierung der Schulden«.

»Wir haben Zugeständnisse gemacht , aber wir haben auch rote Linien«, bekräftigte Tsipras den Kurs seiner Regierung. Er verwies darauf, dass einige Teilnehmer der Gespräche über den Abschluss des blockierten Kreditprogramms darauf setzen würden, dass die Verhandlungen scheiterten.

In Medien heißt es, Tsipras stehe vor einer »Kraftprobe«. Es werde »Kritik hageln, aber Tsipras wird es schon schaffen«, sagte ein hoher SYRIZA-Funktionär mit Blick auf die Diskussionen über Kompromisse gegenüber den Gläubigern der Deutschen Presse-Agentur. Tsipras wolle den Puls seiner Partei fühlen. Mehr als ein Viertel der Mitglieder des ZK gehören dem linken Flügel an und sehen Zugeständnisse an die Gläubiger kritisch bis ablehnend.

Es geht dabei unter anderem um die Beibehaltung einer umstrittenen Immobiliensteuer, das mögliche Einbehalten einer 13ten Monatsrente von Rentnern mit weniger als 700 Euro Altersbezügen und die Verschiebung der Wiederanhebung des Mindestlohns. Tsipras ging jedoch bei seiner Eröffnungsrede zunächst aber auf keine Details ein.

Dem Vernehmen nach wollen Mitglieder der Linken Plattform, zu der auch Energieminister Panayiotis Lafazanis zählt, eine Vereinbarung ablehnen, die nicht die Umsetzung der Wahlversprechen von SYRIZA möglich macht. Auch ist davon die Rede, dass die Plattform an einem Vorschlag für alternative Finanzierungsquellen arbeitet.

Tsipras sagte, Griechenland sei »auf der Zielgeraden der Verhandlungen« mit den Gläubigern und sei bereit, eine »tragfähige Vereinbarung« zu treffen. Dabei werde man aber keine »demütigenden Bedingungen« akzeptieren. Tsipras schloss aus, »irrationalen« Forderungen der Gläubiger etwa mit Blick auf die Mehrwertsteuer oder den Arbeitsmarkt zuzustimmen. Der SYRIZA-Chef rief die Kreditgeber auf, die »notwendigen Zugeständnisse« zu machen.

Glezos ruft Griechen gegen Gläubiger-Politik auf die Straße
Griechenland: Schäuble redet wieder von Bankrott / SYRIZA plant Banken-Transaktionssteuer / Eurogruppen-Chef: Keine Einigung über blockiertes Kreditprogramm vor Pfingsten - der Newsblog vom Donnerstag zum Nachlesen

Bis Ende Juni müsste nach den Vereinbarungen der Eurogruppe eine Einigung über den Abschluss des laufenden Kreditprogramms stehen – das betonen alle Seiten. Derweil gehen das Ringen zwischen Athen und den Gläubigern um eine Vereinbarung über das Kreditprogramm weiter.

Die Gläubiger von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds fordern von der seit Januar amtierenden Athener Regierung im Gegenzug für die Freigabe der bisher blockierten letzten Tranche über 7,2 Milliarden Euro umfassende Maßnahmen. Die Gläubiger pochen auf Bedingungen, die SYRIZA nicht erfüllen will. Tatsächlich hat die Regierung in Athen immer mehr Zugeständnisse gemacht. Und: Während Athen seine finanziellen Verpflichtungen stets pünktlich erfüllt hat, ist nach Griechenland seit August 2014 kein Geld der Kreditgeber mehr geflossen. Agenturen/nd

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