Geld, Sex und Resterampe
Das aktuelle Buch von Volker Handon bietet tiefe Einblicke in die Börsenwelt
Enthüllungen von Börsenhändlern stoßen seit der Finanzkrise auf besonderes Interesse. Der »Cityboy« Geraint Anderson aus London, Greg Smith von Goldman Sachs oder die unter Pseudonym schreibende Derivatehändlerin Anne T. All diese Insiderberichte haben zwar keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, dennoch liefern sie oft einen unverstellten Blick darauf, was hinter den Glitzerfassaden der Banken tatsächlich vor sich geht. Dies gilt auch für die Schilderungen des deutschen Händlers Volker Handon, dessen Buch »Die Psycho-Trader. Aus dem Innenleben unseres kranken Finanzsystems« gerade erschienen ist.
Handon berichtet darin von zwielichtigen Geschäftspartnern, aggressiven Hedgefonds, von den umstrittenen, ultraschnellen Algo-Trades und darüber, wie bei der Pleite des US-Börsenmaklers MF Global seine noch offenen Handelspositionen in einem »Fire Sale« zu absurden Preisen verschleudert wurden. »Das muss man sich so vorstellen, als stünde man auf der Resterampe von Ikea und wäre gezwungen, in den nächsten 30 Sekunden - und zwar keine Sekunde länger - zwanzig Billy-Regale zu verkaufen, ganz egal zu welchem Preis.«
Handon räumt auch auf mit der Mär vom Händler als rational handelndem Investor. »Ich glaube, es gibt keinen anderen Job mit einer größeren Divergenz zwischen gesellschaftlichem Ansehen und intellektueller Leistung als den des Börsenmaklers.« Bei den Kollegen im Parketthandel hätte es genau zwei Themen gegeben: Geld und Sex. »Gute Klienten wurden von der Chefetage regelmäßig ins Sudfass ausgeführt, ein stadtbekanntes Bordell, das inzwischen abgerissen wurde, obwohl ihm die Nähe zur neuen EZB-Zentrale in der Hanauer Landstraße sicher weiter gute Geschäfte garantiert hätte.«
Handon kann es sich leisten, so zu reden. Früher war er bei der Commerzbank, seit 1997 ist er als selbstständiger Day-Trader tätig - er handelt mit sehr kurzfristigen Wertpapieren. Seit 2006 betreibt er seinen Handel »vom Homeoffice« aus. Dies verschafft ihm wohl die Distanz zur Börsenwelt, die man braucht, um so ein Buch zu schreiben.
Und so teilt Handon weiter aus, vor allem und gerade auch gegen die Politik, in der er nur noch eine Art Erfüllungsgehilfen der Finanzwirtschaft sieht. »Die Verbindung zwischen Politik und Lobbyismus ist inzwischen derart eng, dass in Krisenzeiten, wenn Verluste auf Seiten des Großkapitals eintreten, nicht einmal mehr höflich um politische Hilfestellung gebeten wird - sie wird ganz selbstverständlich eingefordert.« Weiter schreibt er: »Die Politik spielt dabei gerne den Schäferhund, der die Herde in die Arme ihrer Schlächter treibt - mit Schauermärchen wie der Altersarmut, die nur erfunden wurden, um neue Geschäfte fürs globale Finanzkasino zu generieren.«
Handon äußert sich ferner zu den massiven Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank, an denen die Banken gleich doppelt verdienten, zur Freigabe des Schweizer Franken, für Handon ein »Vertrauenstsunami«, wie auch zu einem möglichen Grexit. »Griechenland hat es vermasselt, daran gibt es keinen Zweifel.« Der jetzigen Regierung sollte man aber erstmal Vertrauen entgegenbringen. Einen Seitenhieb Richtung Berlin kann sich Handon aber nicht verkneifen. »Am allerwenigsten braucht die griechische Regierung hochnäsige Belehrungen deutscher Politiker, die sich auch hierzulande einmal ernsthaft mit dem Thema der Vermögensverteilung beschäftigen sollten, statt sich mit stolz geschwellter Brust für die Errungenschaften der Agenda 2010 feiern zu lassen.«
Volker Handon: Die Psycho-Trader - Aus dem Innenleben unseres kranken Finanzsystems, Westend-Verlag, Frankfurt am Main 2015, 256 Seiten, 19,90 Euro
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