Europarat fordert mehr Einsatz gegen Menschenhandel
Hunderte Frauen zur Prostitution in Deutschland gezwungen
Straßburg. Experten des Europarates raten Deutschland zu einer umfassenderen Strategie gegen den Menschenhandel. Die Hilfe sollte sich nicht wesentlich auf Opfer von Zwangsprostitution und Ausbeutung illegaler Arbeitskräfte konzentrieren. Der Kreis der anerkannten Opfer sollte vergrößert werden, meint die Expertengruppe des Europarates gegen Menschenhandel (Greta) in ihrem am Mittwoch veröffentlichten ersten Deutschland-Bericht.
»In Deutschland ist die Straftat Menschenhandel in erster Linie auf sexuelle Ausbeutung von Frauen und auf Zwangsarbeit ausgerichtet«, sagte der österreichische Greta-Experte Helmut Sax vom Institut für Menschenrechte in Wien der Deutschen Presse-Agentur. Aber auch der Zwang zur Bettelei sollte als Straftat in Verbindung mit Menschenhandel gelten.
»Opfer von Menschenhandel sollten nicht für Straftaten belangt werden, zu denen sie von Menschenhändlern gezwungen werden«, heißt es in dem 65-Seiten-Bericht. Dies gilt zum Beispiel für Opfer, die zu Drogengeschäften oder Diebstählen gezwungen werden.
Kritisch merken die Greta-Experten an, dass Aufenthaltsgenehmigungen für Opfer von Menschenhändlern unter der Bedingung erteilt werden, dass die Betroffenen mit Polizei oder Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, um gegen Schlepper vorzugehen. Davor scheuen sich oft die Opfer - aus Angst vor der Polizei oder vor Gewalt der Menschenhändler.
Die Behörden sollten angesichts uneinheitlicher Länder-Bestimmungen eine nationale Strategie gegen Menschenhandel entwickeln, heißt es in dem Bericht.
Nach Zahlen des Bundeskriminalamtes von 2010 bis 2013 stammen die meisten Opfer aus Rumänien (571), Ungarn (190), Polen (112) und Nigeria (102). Aber auch innerhalb Deutschlands wurden in dem Zeitraum mehr als 400 Frauen zur Zwangsprostitution verschleppt.
Zu den Pluspunkten zählt Greta ein ausgebautes System von Beratungszentren für Opfer sexueller Ausbeutung, regelmäßige Fortbildung für spezialisierte Polizeibeamte und eine 24-Stunden-Hotline für Frauen, die Opfer von Gewalt werden. Zudem gebe es eine weitreichende internationale Zusammenarbeit mit betroffenen Drittländern.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Stellungnahme auf die Einrichtungen und Aktivitäten zur Identifizierung, zum Schutz und zur Hilfe für Opfer von Menschenhandel. Bundesweit gebe es 48 spezialisierte Zentren, wo Opfer medizinisch betreut würden und Unterkunft, Rechtshilfe und Dolmetscherdienste erhielten.
Im Vergleich zu anderen der 43 von 47 Europaratsländern, die der Konvention gegen Menschenhandel beigetreten sind, kann sich diese Bilanz den Experten zufolge sehen lassen. Dies gilt vor allem im Vergleich zu osteuropäischen Staaten.
Deutschland hat die Europaratskonvention gegen Menschenhandel 2012 ratifiziert. Die Experten besuchten Regierungsbehörden und sechs Bundesländer (Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen) im Juni des vergangenen Jahres. dpa/nd
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