Stallverbot für Antibiotika
Grüne Studie warnt vor weiterer Ausbreitung multiresistenter Keime durch Medikamentenmissbrauch in Tierzucht
Berlin. Ohne ein Umsteuern beim Antibiotikaeinsatz wird sich die Anzahl der Toten durch multiresistente Keime drastisch erhöhen, geht aus der Analyse einer Berliner Forscherin im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion hervor. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) glaubt, der weltweite Anstieg von Antibiotika-Resistenzen sei ähnlich verheerend wie der Klimawandel. Es drohe eine weltweite Katastrophe, »der Rückfall in das Vor-Penicillin-Zeitalter«. Deutschland unterstützt daher den Aktionsplan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen Antibiotika-Resistenzen.
Von insgesamt 400 000 bis 600 000 Patienten geht das Bundesgesundheitsministerium aus, die hier zu Lande jedes Jahr durch medizinische Behandlungen Infektionen bekommen. Mindestens 15 000 Menschen sterben daran. Ein Zehntel dieser Krankenhauskeime gilt als multiresistent (MRSA). Das heißt, sie reagieren nicht mehr auf gängige Antibiotika. Die aber bekommen jedes Jahr rund ein Drittel aller Krankenversicherten verschrieben. Studienautorin Elisabeth Meyer geht davon aus, dass etwa 30 Prozent aller Antibiotika in der Humanmedizin nicht notwendig sind.
Den Grünen im Bundestag gehen die Aktivitäten der Bundesregierung in der WHO und beim G7-Gipfel nicht weit genug. Sie tue zu wenig gegen Antibiotikamissbrauch in der Massentierhaltung. »Für Menschen überlebenswichtige Reserveantibiotika müssen im Stall sofort verboten werden«, forderte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.
In der Untersuchung warnen die Autoren, dass sich die Zahl der Toten von jetzt weltweit etwa 700 000 pro Jahr bis 2050 auf zehn Millionen erhöhen könnte. Dafür legen sie Schätzungen der britischen Regierung zugrunde und setzen voraus, dass keinerlei Gegenmaßnahmen getroffen werden. Für Europa würde dies einen Anstieg von jetzt etwa 23 000 auf 400 000 Tote bedeuten. Mehr Menschen stürben an multiresistenten Keimen als an Krebs. epd/nd
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