»Es wird eine Einigung geben«
SYRIZA-Politiker Katrougalos über die Verhandlungen Athens mit den Gläubigern und andere Probleme der EU
Werden wir diese Woche noch eine Einigung haben?
Ich hoffe, wir werden sie diese Woche erreichen. Denn niemand wird von einem Scheitern der Verhandlungen profitieren. Eine gute Einigung ist eine, die es der griechischen Wirtschaft erlaubt, sich zu erholen, ohne die Schwachen, die Mittelklasse und die Lohnabhängigen zu belasten. Wir sind bereit und haben schon viele Zugeständnisse gemacht. Aber wir werden nicht neue Austeritätsmaßnahmen akzeptieren, die uns weiter in die Todesspirale der Rezession verdammen, in der sich unser Land befindet. Schon am Dienstag haben wir einen vollständigen 47-seitigen Vorschlag an die Institutionen geschickt. Dies zeigt, dass wir die Einigung und Reformen wollen - Reformen, die aber den Menschen in Griechenland nutzen.
Mitte Mai sagten Sie, die Wahrscheinlichkeit eines Bruchs mit den Gläubigern liegt bei 10 Prozent. Ist der »Grexit« wirklich ein wahrscheinliches Szenario?
Ich habe tatsächlich diese Prozentzahl genannt. Ich hatte dabei die Existenz marginaler politischer Zirkel in Europa vor Augen, die ein Scheitern der Verhandlungen möchten, um zu beweisen, dass nur die Politik der neoliberalen Orthodoxie möglich in Europa ist. Diese Minderheit würde uns gern einen Vorschlag präsentieren, der so inakzeptabel wäre, dass die Alternative nur wäre, dies abzulehnen und wir so den Grexit riskieren müssten, oder den Vorschlag annehmen und uns demütigen lassen müssten, in dem wir uns von unseren Versprechen und dem Befehl des griechischen Volkes abwenden. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Stimmen der Vernunft und Logik und nicht die abenteuerlichen Szenarien sich durchsetzen werden. Also wird es eine Einigung geben.
Vier Monate amtiert die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland aber schon. Was haben Sie bereits erreicht?
Das zentrale Problem, mit dem wir in der öffentlichen Verwaltung konfrontiert sind, ist die Wiederherstellung des Vertrauens und die Bekämpfung des Staates der Angst - in ihrem Innern und in Beziehung zu den Bürgern. Zum Beispiel haben wir Mitarbeiter wieder eingestellt, die gefeuert wurden. Wir haben mit der Demokratisierung der Verwaltung und der Bekämpfung der Bürokratie begonnen, mit Einführung der elektronischen Staatsführung in vielen Sektoren. Etwas, was das Leben der Bürger vereinfacht und eine notwendige Maßnahme zur Bekämpfung der Korruption ist. Und natürlich gibt es noch viel zu tun.
Nun ist die EU nicht nur mit der Möglichkeit eines Grexits, sondern unter Umständen sogar mit einem kompletten Austritt Großbritanniens aus der Union konfrontiert. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Es gibt in Großbritannien wie auch in anderen EU-Ländern eine Distanzierung von den europäischen Gegebenheiten. Und zwar genau, weil die EU sich in den letzten Jahren mit einer katastrophalen Politik profiliert hat und somit die Völker Europas enttäuschte. Nun befindet sich Europa am Scheideweg. Es muss die Austeritätspolitik aufgeben, weil sonst die europäische Perspektive gefährdet ist.
Diese Forderung stellt auch die neue spanische Linkspartei Podemos - und hat damit Erfolg. Verändert sich die politische Landschaft in Europa also nicht schon längst?
Auf der einen Seite haben wir die Fortsetzung der Austeritätspolitik, die keine Erholung der europäischen Wirtschaft erlaubt. Auf der anderen Seite haben wir einen Vorschlag der Linken für eine Rückkehr zum sozialen Europa der Rechte und Freiheiten. Und das, was in Spanien geschehen ist, ist wirklich ein Schritt in diese Richtung.
Am vergangenen Wochenende haben Sie in Paris am »Alternativforum«, organisiert von der Europäischen Linken und dem Netzwerk Transform!, teilgenommen. Wie ist der Kontakt zu den linken Kräften in Frankreich, zu denen im weiteren Sinne ja auch die Parti Socialiste (PS) von Präsident François Hollande zu zählen ist?
Wir hatten keinen Kontakt mit Regierungsleuten oder Ministern. Im Rahmen des Forums habe ich aber persönlich und auch auf Podien mit Abgeordneten der PS diskutiert. Es gibt scheinbar Kräfte in der Sozialistischen Partei, die wirklich eine andere Politik fahren wollen. Und ich glaube, dass sich mit anderen Kräften in Frankreich eine neue Front der Linken aufbauen kann.
Am 20. Juni werden im Rahmen der Solidaritätswoche mit Griechenland in mehreren europäischen Hauptstädten Demonstrationen organisiert. Welche Rolle spielen derartige Aktionen?
Sie spielen eine sehr große Rolle, denn die Solidarität ist notwendig, gibt uns Mut und Kraft. Aber die beste Solidarität ist, wenn sich in jedem europäischen Land eine starke soziale Bewegung entwickelt, damit jedes dieser Länder bei der Veränderung der Kräfteverhältnisse in Europa mithilft.
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