Wie man Eltern zu Streikbrechern macht

Ein Streiktagebuch aus Saarbrücken, siebter Eintrag

  • Lesedauer: 2 Min.

Wut ist ein schlechter Ideengeber. Deshalb setzte ich mich am Freitag nach der Kundgebung der Eltern vor dem Saarbrücker Rathaus nicht gleich an den Computer.

Heute, Pfingstsonntag, bin ich ruhiger, und kann vorausschicken, dass ich mit vielem, was die Stadt Saarbrücken für ihre Bürger macht, und auch mit der Oberbürgermeisterin als Person, einverstanden bin. Ich finde gut, dass die Stadt in letzter Zeit viele Erzieher eingestellt hat.

Aber das dann so zu verdrehen - das ist stark! Ein Rathaussprecher trat Freitag früh vor die versammelten Eltern hin und sagte, dass andere Kommunen das Problem mit dem Streik nicht hätten, weil gar nicht so viele städtische Erzieher da wären. Stimmt. Klar. Wenn Erzieher in kirchlicher Trägerschaft nicht streiken können, machen sie zur Zeit auch keinen Ärger.

Aber was nicht gesagt wurde: Bei anderen Trägern verdienen Erzieher zum Teil besser, oder die Mitarbeiter verwalten das Geld selbst wie in den Waldorfeinrichtungen. Richtig wütend aber machte mich die Ankündigung, dass die Stadt nun Kitas für die Eltern öffnen will. Dort werden Eltern und Praktikanten die selben Kinder betreuen, die dort auch sonst angemeldet sind. Die selben Caterer geben Essen aus, die selben Putzleute reinigen die Räume.

Statt Eltern so zu Streikbrechern zu machen und die Streikenden allmählich auszuhungern, wäre es doch besser, Angebote zu machen, die den Streik rasch beenden. Ein Vater fragte: »Denken Sie auch an die Ursachen des Streiks?«, und bekam dafür spontanen Applaus. Sogar Schäuble sagte heute morgen im Deutschlandfunk, alle seien sich einig, dass Kindergärtner mehr verdienen sollten. Sagte das aber nur, um zu erklären, warum auch in Zukunft die Steuern nicht gesenkt werden könnten.

Es darf nicht darum gehen, Eltern und Erzieher zu Feinden zu machen. Es geht um die Aufwertung eines Berufes, der Märchen wahr macht: das Märchen von der Inklusion, das Märchen von der Teilhabe aller an der Gesellschaft, das Märchen von der Unabhängigkeit der Bildung und der späteren Berufsaussichten vom Elternhaus. Das Märchen, dass Kinder mit Verhaltensstörungen, Behinderungen und aus armen oder/und nicht deutsch-sprechenden Elternhäusern trotzdem reif sein werden, in die Schule zu gehen und dort mithalten zu können.

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