Freistilkorrektor
Personalie: CDU-Bundesvize Armin Laschet
Schmunzelnummer oder Staatsaffäre? In einem Land, in dem schon mal ein Staatsoberhaupt u. a. wegen allgemein gemutmaßter Vorteilsnahme hinsichtlich eines Plasteautos für Kleinkinder in den Rücktritt geschrieben wurde, müssen Politiker besonders bei kleinen Vergehen auf der Hut sein. Wie jetzt Armin Laschet, seines Zeichens rheinische Frohnatur vom Dienst und nordrhein-westfälischer Schattenministerpräsident.
Der hat als nebenberufliche Lehrkraft an der TU in Aachen wohl das getan, was nach Studierendenbauchgefühl allgemeine Praxis an deutschen Hochschulen ist, nämlich Studienleistungen nach der Methode »Pi mal Daumen« beurteilt - überwiegend recht wohlwollend.
Das Dumme bei der Sache: Irgendwo gingen die betreffenden Klausuren verloren, sodass Laschet die für eine Notenvergabe dann doch unverzichtbare Grundinformation fehlte, wer dieselbe überhaupt mitgeschrieben hatte. Wohl dadurch, dass nach einer »Rekonstruktion« durch die Aushilfslehrkraft einige Nicht-Geprüfte einen Leistungsnachweis bekamen, flog die Sache auf. Und ist, man kann es nicht anders sagen, hochnotpeinlich für den Landtagsfraktionschef und Bundesvize der CDU, der das größte Bundesland regieren und vermutlich noch höher hinaus will.
Laschet, Rechts- und Staatswissenschaftler sowie Journalist, übt sich in Schadensbegrenzung und hat seine Lehrtätigkeit eingestellt. Ob der 1961 geborene Politiker, der in der Sarrazin-Debatte mit dem Axiom reüssierte, es sei »nicht hilfreich, wenn man ein Buch verurteilt und gleichzeitig sagt, man habe es nicht gelesen«, mit seiner Freistilkorrektur durchkommt, ist unklar. »Es könnte eng für ihn werden«, unkt die Landespresse, der »Kampf um die Deutungshoheit« habe »gerade erst angefangen«. Und der Berliner Tagesspiegel warnt: »So können Karrieren enden.«
Das können sie. Denn etwa das jüngste Eiern um die Regierungslügen beim »No-Spy-Abkommen« zeigt: Je lässlicher in Deutschland die Sünde ist, desto sicherer das Urteil - und umgekehrt.
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