Schonzeit für SYRIZA ist beendet
Griechische Gewerkschaften fordern von der Regierung endlich greifbare Verbesserungen
»In den vergangenen fünf Jahren war die Wirtschaftskrise das perfekte Alibi für die Regierungen und die EU, beispiellos brutale Maßnahmen gegen die Lohnabhängigen und die Jugendlichen zu ergreifen.« So beginnt ein Aufruf von in EU-Programmen befristet Beschäftigten Griechenlands für eine Demonstration am Dienstag kommender Woche. Für sie ist die Schonzeit für die Linksregierung in Athen vorbei.
Denn auch unter SYRIZA hat sich ihre Situation nicht geändert. Im Gegenteil. Während sie ohnehin mit nur wenigen hundert Euro für bis zu fünf Monate Vollzeitarbeit bezahlt werden, schuldet ihnen der griechische Staat sogar diese bescheidene Entlohnung. Und das, obwohl Arbeitsminister Panos Skourletis die entsprechenden Zuschüsse aus EU-Programmen bereits abgerufen hat.
Die mehrheitlich bei den griechischen Gemeinden für wenige Monate angestellten Zeitarbeiter fordern nicht nur die Auszahlung der ihnen zustehenden Löhne, sondern generell die Ersetzung der schlecht bezahlten und befristeten Jobs durch reguläre Vollzeitstellen.
Beim griechischen Gewerkschaftsdachverband im öffentlichen Dienst, ADEDY, wehrt man sich derweil besonders gegen neue Einschnitte bei den Renten. Ohne staatliche Zuschüsse wären die Rentenkassen nicht in der Lage, die ohnehin geringen Renten dauerhaft zu sichern, hieß es in einem Aufruf der ADEDY zu einer Protestkundgebung bereits Ende Mai.
Der Verzicht auf staatliche Zuschüsse gehört zu den Prioritäten der Gläubiger. Mehrere hundert Gewerkschafter demonstrierten deswegen am 28. Mai vor dem griechischen Arbeitsministerium und forderten nicht nur die Annullierung des entsprechenden Gesetzes, sondern auch die Wiedereinführung der 13. und 14. Monatsrente.
Es ist kein Zufall, dass vor allem Gewerkschaften der im öffentlichen Dienst Arbeitenden die im Januar gewählte Linksregierung an ihre Wahlversprechen erinnern. Denn sowohl in der ADEDY als auch bei vielen unabhängigen Basisgewerkschaften gibt es starke Kräfte, die links von der neuen Regierung stehen. Beim Gewerkschaftsdachverband in der privaten Wirtschaft, GSEE, dagegen halten vor allem konservative sowie ehemalige PASOK-Gewerkschaften, die im Zuge der Krise zu SYRIZA wechselten, das Heft in der Hand.
Dabei ist die Lage in der privaten Wirtschaft noch viel prekärer als im öffentlichen Dienst. Zu den per Gesetz oder »Betriebsvereinbarung« aufgezwungenen Kürzungen bei den Löhnen, der Aufweichung des Kündigungsschutzes und der Streichung fast aller Lohnzuzahlungen kommt hier noch hinzu, dass viele Unternehmer ihre Arbeiter monatelang auf die Bezahlung warten lassen. Einer im Mai veröffentlichten gemeinsamen Studie der größten griechischen Sozialversicherungskasse IKA, des griechischen Arbeitsamtes und des Amtes für Statistik ELSTAT zufolge sind davon mindestens eine Million Lohnabhängige betroffen, während weitere bis zu zwei Millionen ohne Sozialversicherung beschäftigt werden.
Die der eigenen Regierung nahestehenden Gewerkschaften führen diese Situation vor allem auf den Druck der Gläubiger auf das Kabinett von Ministerpräsident Alexis Tsipras zurück. Die traditionellen Demonstrationen am 1. Mai boten daher ein für Griechenland reichlich paradoxes Bild. Gemeinsam mit den Spitzen der Gewerkschaftsverbände reihten sich gleich mehrere Minister hinter Transparente mit Forderungen nach Wiederanhebung des gesetzlichen Mindestlohns oder Schaffung von Vollzeitstellen für alle Arbeitsfähigen ein.
Die der Kommunistischen Partei zugehörige Gewerkschaftsfront PAME demonstrierte dagegen bereits im Februar das erste Mal gegen die neue Regierung. Für den 11. Juni hat die PAME unter dem Motto »Kein neues Memorandum« erneut zu Massendemonstrationen im ganzen Land aufgerufen.
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