Telefonate und »Märchen« im Streit um Kreditprogramm

Merkel und Hollande sprechen mit Tsipras / Angeblich lehnte Juncker Gespräch mit griechischem Ministerpräsidenten ab / Grüne fordern Befassung des Bundestags wegen veränderter Bedingungen für Athen

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Berlin. Im Ringen um das blockierte Kreditprogramm für Griechenland haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande vor Beginn des G7-Gipfels in Elmau mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras telefoniert. Das bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Wie es aus Kreisen der Regierung in Athen am Samstagabend hieß, vereinbarten die drei Politiker, sich am Mittwochabend in Brüssel am Rande des EU-Gipfels mit den Ländern Lateinamerikas und der Karibik zu treffen.

Derweil soll sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der eine zentrale Rolle als Vermittler spielt, in ungewöhnlich deutlicher Form verärgert über Tsipras gezeigt haben. Der SYRIZA-Chef habe nach dpa-Informationen mit Juncker telefonieren wollen - der christsoziale Luxemburger habe das Gespräch jedoch abgelehnt, da es keine neue Entwicklungen gebe. Eine Sprecherin der Kommission bestätigte in Brüssel, dass Tsipras um ein Gespräch gebeten habe, dieses habe aber am Samstag nicht stattgefunden. Aus Kreisen des Tsipras-Büros hieß es dazu, der unbeantwortete Anruf sei ein »Märchen«. »Der griechische Vorschag (ist) und bleibt auf dem Tisch. Wir warten auf die Kommentare der Institutionen«, hieß es.

Schulz sieht »ideologische Verbohrtheit« bei SYRIZA
EU-Parlamentspräsident spricht von »Spielchen« der Regierung in Athen / Premier Tsipras: Wir unterschreiben nicht alles und brauchen einen Schuldenerlass / CDU-Politiker wollen neue Abstimmung im Bundestag

Aus dem laufenden Programm erwartet Athen noch ausstehende Kredite und EZB-Zinsgewinne in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Diese werden von den Gläubigern nicht freigegeben, solange Athen nicht bestimmte Bedingungen erfüllt - eine politische Blockade. Über diese gibt es seit Wochen Streit, da auch die Gläubiger unterschiedliche Linien verfolgen. Die Zeit wird allerdings knapp, da Griechenland das Geld ausgeht: Insgesamt sind im Juni etwa 1,55 Milliarden Euro beim IWF fällig. Diese sollen gebündelt zum Monatsende zurückgezahlt werden. Seit August 2014 hat Athen keine Auszahlungen aus dem laufenden und bis Ende Juni 2015 verlängerten Kreditprogramm erhalten. Die Gläubiger pochen auf Bedingungen, die SYRIZA nicht erfüllen will. Tatsächlich hat die Regierung in Athen immer mehr Zugeständnisse gemacht.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz appellierte dennoch erneut an Griechenland, die neuen Vorschläge von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds für einen Kompromiss zu billigen. Er könne Athen nur davor warnen, »die ausgestreckte Hand wieder auszuschlagen«, sagte der SPD-Politiker der »Welt am Sonntag«. Die EU sei bereit, Griechenland weit entgegenzukommen. Im Gegenzug müsse die Regierung endlich akzeptieren, »dass sie nicht nur ihren SYRIZA-Wählern Rechenschaft schuldig ist, sondern Verantwortung trägt für das ganze Land, und als Teil der EU auch für den Euro und Europa«.

Fast noch mehr sorge ihn, dass fünf Monate mit der neuen Regierung ins Land gezogen seien und immer noch kein schlüssiger Plan vorliege, wie Griechenlands Wirtschaft samt Staatswesen reformiert werden könne. Eines der Hauptversprechen von SYRIZA sei auch nicht umgesetzt, nämlich die Reichen, die Steuerflüchtlinge, die Wirtschaftsprofiteure stärker an der Last zu beteiligen, rügte er.

Neben führenden Unionspolitikern fordern derweil auch die Grünen eine neue Bundestagsgenehmigung für die Auszahlung weiterer Kredite an Griechenland. Grund seien die veränderten Bedingungen für Athen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der »Bild am Sonntag«: »Der Bundestag muss wesentlichen Änderungen zustimmen.« Außerdem verlangte Hofreiter in dem Interview ein drittes Kreditprogramm: »Griechenland wird mit dieser Heftpflaster-Politik nur kurzfristig geholfen. Eine Umschuldung und ein drittes Hilfspaket sind für eine nachhaltige langfristige Lösung notwendig.«

Führende Unionspolitiker hatten am Samstag auf eine Parlamentsabstimmung gepocht, sollten weitere Kredite an Griechenland zu geänderten Bedingungen überwiesen werden. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer (CSU), hatte sich in der »Bild«-Zeitung zugleich klar gegen ein drittes Kreditprogramm ausgesprochen. »Nach dem unwürdigen mediterranen Gefeilsche mit den griechischen Reformversprechen halte ich ein drittes Hilfspaket für ausgeschlossen«, zitierte ihn die Zeitung am Samstag. Agenturen/nd

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