Tumult um TTIP

Europaparlament verschiebt Debatte über TTIP / LINKE und Grüne üben Kritik/ attac wertet Verschiebung der Resolution als Erfolg / wikileaks veröffentlicht neue TiSA-Dokumente

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 5 Min.
Mit einer knappen Mehrheit stimmten die Abgeordneten für eine Verschiebung der TTIP-Debatte. Es gäbe zu viele Änderungsanträge für die geplante Resolution. Im Plenarsaal kam es zu tumultartigen Szenen.
Update 13.20 Uhr: Wikileaks veröffentlicht TiSA-Dokumente

Die Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlichte am Mittwoch auf ihrer Seite www.wikileaks.org 17 neue geheime Dokumente aus den laufenden TiSA-Verhandlungen (Trade in Services Agreement – Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen). Das TiSA-Abkommen soll weltweit Dienstleistungen liberalisieren. Zu den 50 Staaten, die über TiSA verhandeln, gehören neben EU und USA unter anderem die Türkei, Mexiko, Kanada, Australien und Taiwan. Zusammen stellen sie weltweit zwei Drittel aller Dienstleistungen, die wiederum etwa 80 Prozent der US- und EU-Volkswirtschaften ausmachen.

Update 12.25 Uhr: Wikileaks kündigt neue Veröffentlichungen an

Wikileaks kündigte auf Twitter für Mittwoch die Veröffentlichung neuer Dokumente zum Freihandelsabkommen TTIP oder dem Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen TISA an.

Update 12.00 Uhr: Stop TTIP-Bündnis begrüßt Absetzung von TTIP-Abstimmung

Die Organisatoren der selbstorganisierte Europäischen Bürgerinitiative »Stop TTIP« haben erfreut auf die Absetzung der TTIP-Abstimmung in der heutigen Sitzung des Europaparlaments reagiert. »Offenbar war sich die große Koalition im Europaparlament ihrer Mehrheit nicht mehr sicher und hat die Reißleine gezogen. Der Protest der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist im EP angekommen.«, erklärte Ernst-Christoph Stolper, Sprecher der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative, am Mittwoch. Das Bündnis hatte im Vorfeld die Europaabgeordneten dazu aufgefordert, das Konzernklagerechte ISDS abzulehnen. Immer mehr Abgeordnete hatten sich in den vergangenen Tagen einem überparteilichen Änderungsantrag für eine solche Ablehnung angeschlossen.

Update 11.35 Uhr: Sven Giegold kritisiert Verschiebung der TTIP-Debatte scharf

Einen »demokratischen Skandal« nennt Sven Giegold, Finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, die Entscheidung von Martin Schulz zur Verschiebung der TTIP-Debatte. Zwar sei es für ihn nachvollziehbar, dass die Abstimmung selbst verschoben wurde. »Es ist aber ein demokratischer Skandal, die gesellschaftlich wichtige Parlamentsdebatte über TTIP zu unterdrücken«, kritisierte Giegold am Mittwoch. Der einzige Grund für die Absage der Debatte sei, dass die Große Koalition ihre Zerrissenheit nicht vor laufenden Kameras zur Schau stellen wolle. Den Tumult um TTIP im EU-Parlament selbst wertete er jedoch als »Etappensieg für die Bürger«, die in den letzten Monaten die »größte Europäische Bürgerbewegung des Jahrzehnts« auf die Straße gebracht hätten.

Update 11.25 Uhr: attac wertet Verschiebung der TTIP-Abstimmung als Erfolg

Das globalisierungskritische Netzwerk attac wertet die gestrige Verschiebung der Abstimmung über die TTIP-Resolution im Europäischen Parlament als Erfolg eines wachsenden Drucks aus der Zivilgesellschaft. »Die hohe Zahl an Änderungsvorschlägen für den Vorschlag des Handelsausschusses zeigt, dass eine wachsende Anzahl von EU-Abgeordneten nicht bereit ist einer Pro-TTIP Resolution zuzustimmen«, erklärte am Mittwoch Alexandra Strickner von Attac Österreich. Strickner kündigte an, attac werde weiter Druck machen für eine Resolution mit klaren roten Linien bei Konzernklagerechten, Sozial-und Umweltstandards.

Lange Gesichter am Mittwochmorgen: Wer sich selbst ein Bild machen wollte von der Haltung des EU-Parlaments zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU, wurde enttäuscht. Das EU-Parlament hat nach einer tumultartigen Diskussion die für den Tag vorgesehene Debatte über TTIP verschoben. Mit einer knappen Mehrheit von 183 gegen 181 Stimmen stimmten die Abgeordneten dem Antrag von Christdemokraten, Konservativen und Liberalen zu. Ihr Argument: Die Debatte sollte nicht von der Abstimmung getrennt geführt werden. Denn am Abend zuvor hatte Parlamentspräsident Martin Schulz bereits die Abstimmung verschoben. Begründung: Es gebe zu viele Änderungsanträge.

Im Plenarsaal kam es am Morgen zu tumultartigen Szenen. Die Vorsitzende der Linksfraktion Gabi Zimmer sagte, es sei »nicht hinnehmbar, wenn das Parlament seine eigenen Rechte beschneidet und sich hinter Paragrafen versteckt«. Eine solche Haltung sei »höchst problematisch« und schade der Demokratie. Ihr Fraktionskollege Helmut Scholz bezeichnete die Verschiebung der Abstimmung als den »entscheidenden Fehler«.

Linke und Grüne kritisierten, dass die Uneinigkeit der Sozialdemokraten der eigentliche Grund für die Verschiebung sei. Die Grüne EU-Abgeordnete Rebecca Harms griff den Parlamentspräsidenten scharf an. »Martin Schulz lässt eine Parlamentsentscheidung verschieben, weil er nicht sicher ist, wie seine Fraktion abstimmt.« Hintergrund ist die Haltung der Sozialdemokraten zu den umstrittenen Investor-Schiedsgerichten im geplanten Freihandelsabkommen.

Einen neuen Termin für Debatte und Abstimmung gibt es noch nicht. Der ursprünglich zur Abstimmung stehende Bericht wurde an den Handelsausschuss zurückverwiesen.

Die Organisatoren der selbstorganisierte Europäischen Bürgerinitiative »Stop TTIP« sieht in der Absetzung einen Erfolg ihres Protestes. Ernst-Christoph Stolper, Sprecher der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative, erklärte: »Offenbar war sich die große Koalition im Europaparlament ihrer Mehrheit nicht mehr sicher und hat die Reißleine gezogen. Der Protest der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist im EP angekommen.«

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat die Verschiebung der Abstimmung begrüßt. Früher sei der EU immer vorgeworfen worden, Kritik werde nicht ernst genommen und die Verhandlungen seien intransparent, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo am Mittwoch im ZDF-»morgenmagazin«. Insofern sei es positiv, dass man sich jetzt mit den mehr als 200 Änderungsanträgen beschäftige »und es dann nochmal, hoffentlich zeitnah«, die Abstimmung gebe.

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