Handygate: Opposition kritisiert Einstellung der Ermittlungen
Untersuchungen zu Abhörvorwürfen eingestellt / Generalbundesanwalt Range: Vorliegende Unterlagen zum Spähvorwurf seien nicht eindeutig / Bundesregierung will sich zur möglichen Überwachung Merkels nicht äußern
Update 15.40 Uhr: Einstellung ist ein Freibrief zum Abhören
Die Entscheidung des Generalbundesanwalts, nicht mehr wegen einer Ausforschung des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ermitteln, ist bei der Opposition auf scharfe Kritik gestoßen. Wenn der oberste Ermittler Harald Range das Verfahren einstelle, »dann kommt das einem Freibrief gleich, die Bürgerinnen und Bürger auszuforschen«, sagte die LINKE-Obfrau des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Martina Renner, am Freitag in Berlin.
»Der Vorgang, die Ausspähung des Merkel-Handys, ist unbestritten für uns.« Renner warf Range ein »falsches Signal« im Bemühen um Aufklärung der Geheimdienst-Spionage vor - zumal der NSA-Ausschuss dazu täglich neue Informationen hervorbringe. Renner teilte mit, auch die Vorgänge beim Generalbundesanwalt zählten zu den Beweisthemen des Ausschusses.
Auch Renate Künast (Grüne) hält die Entscheidung Ranges angesichts der Debatte um Hackerangriffe ausländischer Geheimdienste für falsch: »Wir dürfen weder gegenüber befreundeten Geheimdiensten noch gegenüber kriminellen Hackern klein bei geben«, sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags.
Update 14.45 Uhr Regierung kommentiert Einstellung der Ermittlungen nicht
Die Bundesregierung lehnt eine Stellungnahme zur Einstellung der Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Ausforschung des Handys von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. »Die Ermittlungen einzuleiten oder die Ermittlungen zu beenden, das sind Schritte, die nur im Ermessen und nur in der Verantwortung des Generalbundesanwaltes liegen, und die sollten von der Bundesregierung nicht kommentiert werden«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.
Die Kanzlerin habe mehrfach öffentlich betont, dass es nicht vorrangig um ihr Handy gehe, sondern um den Schutz der Kommunikation aller Bürger und die Frage, ob in Deutschland auch von internationalen Partnern deutsches Recht eingehalten werde. »Das ist es, was im Vordergrund steht und immer stand«, sagte Seibert.
Abhören von Merkel-Handy: Ermittlungen eingestellt
Generalbundesanwalt Harald Range hat die Ermittlungen zu dem mutmaßlichen US-Lauschangriff auf das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingestellt. Der Vorwurf lasse sich nicht gerichtsfest beweisen, teilte die Behörde am Freitag in Karlsruhe mit. Angebliche Dokumente und Angaben des einstigen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden belegten nicht, dass Merkels Handy möglicherweise seit dem Jahr 2002 abgehört worden sei.
Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst NSA vermutlich über Jahre hinweg Merkels Handy ausgespäht haben soll. Dies führte zu ernstlichen Verstimmungen zwischen Berlin und Washington. Im Juni leitete Range dazu ein Ermittlungsverfahren ein.
Anlass für die Ermittlungen war ein im Oktober 2013 erstmals in den Medien veröffentlichtes Dokument, das als Beleg für das Belauschen von Merkels Handy angesehen wurde. Bei diesem Dokument handelte es sich laut Bundesanwaltschaft aber nicht um einen authentischen Abhörauftrag der NSA oder eines anderen US-Nachrichtendienstes. Es soll sich vielmehr um die Abschrift eines in Augenschein genommenen Dokuments der NSA gehandelt haben.
Range zufolge war es nicht möglich, das Dokument im Original zu beschaffen, auch die Abschrift stehe der Behörde nicht zur Verfügung. In dem Papier werde zwar die Telefonnummer eines von Merkel genutzten Handys aufgeführt. Weil die weiteren Angaben aber »verschiedene Interpretationen« zuließen, bleibe es bei der nicht belegbaren Vermutung, dass es sich in dem Dokument um »Zielparameter für die Überwachung« des Merkels-Handys handele.
Laut Bundesanwaltschaft enthalten auch die Snowden-Papiere keinen gerichtsfesten Nachweis für eine Überwachung des Handys. Zwar scheint einem der Papiere zufolge der Name der Kanzlerin mit Hilfe des Namen-Erkennungs-Programms »Nymrod« mehr als 300 Mal festgestellt worden zu sein. Doch ob diese Treffer aus einer Handy-Überwachung stammen, lasse sich mit dem Papier nicht feststellen.
Die Papiere geben der Behörde zufolge auch keinen Hinweis, dass Snowden »über eigene Kenntnisse zu dem Verdacht der Ausspähung des von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons verfügt«.
Die vagen Äußerungen von US-Verantwortlichen, dass es keine Überwachung des Merkel-Handys mehr gebe, werden laut Bundesanwaltschaft in der Öffentlichkeit zwar als »allgemeines Schuldeingeständnis« gewertet. Sie seien aber kein gerichtsfester Beweis. Sollten sich neue erfolgversprechende Ermittlungsansätze ergeben, will Range die Ermittlungen aber wieder aufnehmen.
Die Bundesanwaltschaft prüft unabhängig davon weiter, ob die mögliche massenhafte Sammlung privater Telekommunikationsdaten durch britische und US-Geheimdienste »Hinweise auf eine konkret verfolgbare Straftat« ergeben.
Die Bundesregierung wollte die Einstellung der Ermittlungen nicht kommentieren. Diese Entscheidung liege im Ermessen des Generalbundesanwalts, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag. Mit Blick auf den Abhörverdacht habe Merkel mehrfach gesagt, dass es ihr nicht vorrangig um ihr Handy gehe, sondern um die Belange aller Bürger.
Seibert räumte erneut ein, es gebe Meinungsverschiedenheiten mit Partnerstaaten in der Frage, wie die Balance zwischen den Anforderungen der Sicherheit und dem Schutz privater Daten zu halten sei. Im Vordergrund stehe für die Bundesregierung die Zusammenarbeit der Dienste, sagte Seibert weiter. Diese sei »für uns unverzichtbar«. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.