Jackpot im Weltall
Eine merkwürdige Entdeckung in den Tiefen des Universums könnte neue Einsichten in den Lebensweg von Galaxien eröffnen
Vor mehr als einem halben Jahrhundert machten Astronomen einen überraschenden Fund. Sie wollten die Position eines Objektes möglichst präzise bestimmen, das im Bereich langwelliger Radiowellen strahlte und einen äußerst geringen Winkeldurchmesser aufwies. Daraufhin versuchten Kollegen, das extrem kleine Objekt auch im Bereich des sichtbaren Lichtes nachzuweisen und fanden ein sternartiges Gebilde. Doch sie wagten es nicht, öffentlich darüber zu berichten, weil das zerlegte Licht des Objektes, das sogenannte Spektrum, völlig unbekannte Linien zeigte.
Drei Jahre später tauchte ein weiteres Etwas mit ähnlichen Eigenschaften auf. Das Fünf-Meter-Spiegelteleskop auf dem Mount Palomar (USA), enthüllte etwas Erstaunliches. Die unbekannten Linien gehörten zu normalem Wasserstoff, doch sie waren soweit zum roten Ende des Spektrums verschoben, dass für den niederländisch-amerikanischen Astronomen Maarten Schmidt nur eine Erklärung in Frage kam: Die Rotverschiebung entspricht infolge der Expansion des Universums einer Entfernung des Objekts von 1,6 Milliarden Lichtjahren. Dann aber konnte der Kern des Gebildes eine Ausdehnung nur von etwa 3000 Lichtjahren besitzen. Unsere Galaxis verfügt über den mehr als dreißigfachen Durchmesser! Verblüffend war auch die Feststellung, dass dieser winzige Kern 100 mal soviel Energie abstrahlte wie ansonsten ganze Sternsysteme. Niemals zuvor hatte man Ähnliches gesehen. Die neue Objektklasse erhielt den Namen Quasar (Quasi Stellar Radio Source), weil die Objekte dieses Typs optisch wie gewöhnliche Sterne erschienen.
Heute kennt man etwa 500 000 Quasare und weiß, dass es sich bei ihnen um ein relativ rasch ablaufendes frühes Stadium der Entwicklung von Galaxien handelt. In den Zentren dieser aktiven Galaxien haben sich gewaltige Schwarze Löcher herausgebildet, die bis zu einige Milliarden Sonnenmassen enthalten können und ständig Materie aus der Umgebung zu sich hinüber saugen, wodurch sie noch massereicher werden. Die in anderen Galaxien ebenfalls vorhandenen zentralen Schwarzen Löcher verhalten sich meist inaktiv. Doch bei den Quasaren sammeln sich die in den Kern hineinstürzenden Gasmassen in Form einer Akkretionsscheibe und heizen sich durch Reibung stark auf. Die von dort zu uns gelangende Strahlung wird als Ursache für die enormen Helligkeiten der Kernregionen angesehen, die das Mehrmilliardenfache der Leuchtkraft der gesamten Galaxie erreichen können.
Angesichts der kurzen Dauer dieser aktiven Phase von einigen zig Millionen Jahren (Galaxien existieren mehr als 10 Milliarden Jahre) findet man Quasare nur relativ selten. Doppelquasare sind noch seltener - nur etwa 0,2 Promille treten gravitativ aneinander gebunden auf. Als Astronomen im Jahre 2007 einen »Tripel-Quasar« entdeckten, galt dies als ein merkwürdiger Sonderfall. Doch nun meldete ein Team um den Astronomen Joseph F. Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Heidelberg in »Science« (Bd. 328, S. 779) gar die Entdeckung eines Quartetts von Quasaren in enger räumlicher Nachbarschaft. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer solchen Vierergruppe wurde bislang unter plausiblen Annahmen stets auf etwa 1:10 000 000 geschätzt.
Handelt es sich also um einen Zufallstreffer? Ja und nein. Gesucht hatten die Forscher jedenfalls nicht danach. Sie fahndeten vielmehr nach unbekannten sogenannten Lyman-Alpha-Nebeln - riesigen dichten Wasserstoff-Wolken, die durch die räumliche Nähe von Quasaren zum Leuchten angeregt werden. Deshalb untersuchten sie die Spektren von 29 Quasaren, wobei die Spitzentechnik des Keck-Observatoriums auf dem Mauna Kea (Hawaii) zum Einsatz kam. Dabei fanden sie den größten bisher bekannten Lyman-Alpha-Nebel in einer Entfernung von etwa 10,5 Milliarden Lichtjahren. Die Ausdehnung der gewaltigen Gaswolke beträgt eine Million Lichtjahre.
Nun zeigte sich aber, dass nicht nur ein Quasar den Nebel zum Leuchten bringt, sondern gleich vier, die sich alle innerhalb des Nebels befinden. Bleibt die Frage, ob diese vier Quasare zufällig so dicht beieinander stehen, oder ob es dafür Ursachen gibt, die uns mehr über die frühe Evolution von Galaxien verraten könnten. Bei der weiteren Untersuchung sahen die Forscher, dass es sich offenbar um eine besondere Region des Weltraums handelt, denn hier ist die Materiedichte ungewöhnlich hoch. Man fand nämlich etwa 100 mal so viele Galaxien, wie sie in dieser Gegend, d.h. nur etwa vier Milliarden Jahre nach dem Urknall, zu erwarten wären. Nach gängigen Vorstellungen entwickeln sich Quasare dann besonders effektiv, wenn Zusammenstöße von Galaxien stattfinden, diese miteinander verschmelzen und wenn genügend Materie vorhanden ist, um die Schwarzen Löcher rasch wachsen zu lassen. In einer mit Masse dicht angefüllten Region ist die Wahrscheinlichkeit für solche Vorgänge deutlich größer, was die Herausbildung des Vorläufers eines gewaltigen Galaxienhaufens (Protohaufen) erklären könnte.
Dazu passt aber der Lyman-Alpha-Nebel nicht so recht. Aus Computersimulationen ergab sich nämlich, dass die Gasnebel in massereichen Regionen sehr dünn und sehr heiß sein sollten. Der gefundene Nebel ist aber sehr dicht und tausend Mal kühler als die Modelle verlangen. Wenn die Herausbildung des Quasar-Quartetts nicht doch ein reiner Zufall gewesen ist, würde die Entdeckung möglicherweise den Weg zu völlig neuen Modellen der Galaxienentwicklung weisen. Was können sich Forscher Besseres wünschen? Deshalb haben sie die gewaltige Wasserstoff-Wolke, welche die Quasare umgibt, auch auf »Jackpot-Nebel« getauft.
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