Wohnungen leer, Asylheime voll
12 000 erwarteten Flüchtlingen stehen 25 700 freie Mietsquartiere gegenüber
Die Zahl der Flüchtlinge in Brandenburg steigt und steigt. 2014 musste das Bundesland 6300 Asylbewerber aufnehmen, im laufenden Jahr werden 12 000 erwartet. Um seiner Forderung nach menschenwürdiger Unterbringung Nachdruck zu verleihen, sagte ein Regierungspolitiker 2013: »Ich möchte nicht in den Nachrichten sehen müssen, dass in Eisenhüttenstadt Zelte aufgestellt werden.«
In Eisenhüttenstadt befindet sich die hoffnungslos überfüllte Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Zelte sind dort nicht aufgestellt worden. Stattdessen richtete das Innenministerium Außenstellen in Frankfurt (Oder) und Ferch ein, und es plant weitere Außenstellen in Doberlug-Kirchhain und Wünsdorf.
Die Lage scheint unter Kontrolle zu sein. Der Satz zeigte aber, wie schwierig die Situation zeitweise gewesen ist. Die Probleme bei der Unterbringung sind auch nicht geringer geworden. Dabei stehen allein bei den kommunalen Wohnungsgesellschaften und bei den Wohnungsgenossenschaften im Land 25 700 Wohnungen leer. Die Landkreise Spree-Neiße und Prignitz weisen Leerstandsquoten von beinahe 18 Prozent aus, in Oder-Spree, Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz sind es mehr als zehn Prozent, und im Barnim und in Märkisch-Oderland liegt die Quote nur knapp unter einem zweistelligen Wert. Besonders groß ist der Leerstand in berlinfernen Städten und Gemeinden wie Lauchhammer mit einer Quote von 28,5 Prozent oder Forst (27,5), Wittenberge (21,6), Guben (18,9) und Bad Freienwalde (17,7). Selbst in Eisenhüttenstadt mit seiner überfüllten Erstaufnahme stehen derzeit 13,1 Prozent der Mietswohnungen leer.
Ist es im Nachhinein betrachtet falsch gewesen, in den vergangenen fünf Jahren weitere 10 500 DDR-Neubauwohnungen abzureißen? Ist es nicht ein Irrsinn, selbst jetzt noch die Beseitigung von Plattenbauten zu planen? Im Oktober sorgte ein Fall in Oderberg für Aufmerksamkeit. Sechs Viergeschosser am Platz der Einheit sollten dort mit Hilfe von 342 000 Euro Fördergeld niedergelegt werden, während das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk parallel an der Hermann-Seidel-Straße notgedrungen den rund 1,8 Millionen Euro teuren Neubau einer Asylunterkunft mit 80 Plätzen plante. Auch das müsste am Ende der Steuerzahler finanzieren. Doch für derlei Absurditäten gibt es zuweilen auch nachvollziehbare Gründe. Die Landkreise und kreisfreien Städte haben unterschiedliche Konzepte für die Unterbringung der ihnen zugewiesenen Flüchtlinge. Hier werden die Menschen ausschließlich mit Wohnungen versorgt und da werden Sammelunterkünfte bevorzugt. Es finden sich auch Wohnungsverbünde mit mehreren Quartieren in einem Haus, in einem Wohnblock oder einem Viertel und dazu einem Büro mit Betreuern.
Zwar gibt es neben Bürgerinitiativen, die Flüchtlinge herzlich willkommen heißen, auch Vorurteile gegen Ausländer. Ermutigend ist, wenn die Nachbarn sagen: »Die Flüchtlinge sollen ruhig einziehen. Das ist uns recht. Dann können wir selbst weiter hier wohnen.« Schließlich möchten Senioren oft in der vertrauten Umgebung bleiben, solange es geht. Wenn zu viele Wohnungen leer stehen, droht der Abriss des Hauses.
Auch der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) begreift die Integration als Chance. Vorstand Maren Kern sagt: »In Brandenburg herrscht zunehmend Fachkräftemangel. Je besser junge oder bereits gut ausgebildete Menschen, die auf der Suche nach einer Perspektive zu uns kommen, zum Beispiel durch Deutschkurse integriert werden, desto eher können auch die Städte im weiteren Metropolenraum als Wohn- und Wirtschaftsstandorte davon profitieren.«
Die Wohnungswirtschaft in Ostprignitz-Ruppin zeige sich aufgeschlossen für die Flüchtlingsunterbringung, erklärte Martin Osinski von den Ruppiner Kliniken, die ein Asylheim in Neuruppin betreiben und Wohnungen für Flüchtlinge organisieren. Dennoch gestaltet sich die Wohnungssuche nicht einfach - auch deshalb, weil es verschiedene Anforderungen an geeignete Quartiere gibt. So lautete ein Grund für die Ablehnung einer angebotenen Wohnung auf einem alten Bauernhof in Walchow, sie sei für die Betreuer nicht erreichbar.
Es nütze nichts, wenn in einem Dorf 24 Wohnungen frei sind, es dort aber keine Kita und keine Schule mehr gibt, weiß Wolfgang Schönfelder vom BBU. Denn viele Flüchtlinge kommen mit ihren Kindern. Auch die Verkehrsanbindung spielt eine Rolle. Denn die Flüchtlinge können sich so schnell kein Auto leisten.
Sozialministerin Diana Golze (LINKE) hat die fehlende Infrastruktur als Grund angeführt, warum leerstehende Wohnblöcke allein noch keine Lösung des Unterbringungsproblems darstellen.
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