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Tsipras präsentiert Vorschläge für »endgültige Lösung«

Griechischer Premier telefoniert mit Merkel, Juncker und Hollande / EU-Kommission: Teilauszahlung von Kredittranche und Verlängerung von Programm bei Ja zu Kernbedingungen der Gläubiger / Eurogruppe fängt am Montag früher an

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 14.30 Uhr: Tsipras präsentiert Vorschläge für eine »endgültige Lösung«
Einen Tag vor dem Euro-Krisengipfel hat Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras seine Vorschläge für eine »endgültige Lösung« der Schuldenkrise präsentiert. Tsipras habe seine Position am Sonntag in Telefonaten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Staatspräsident François Hollande und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erläutert, hieß es in einer Erklärung der Regierung in Athen. Ob Tsipras auf die Forderungen der Gläubiger zu weiteren Kürzungen einging, blieb zunächst offen. In der Erklärung hieß es lediglich, die Vorschläge zielten auf eine »Vereinbarung zum gegenseitigen Nutzen« ab. Athen wehrt sich bislang insbesondere gegen Einschnitte bei Renten, höhere Mehrwertsteuern und die Deregulierung des Arbeitsmarktes. Die Euro-Staaten ihrerseits wollen Athen keinen Schuldenerlass in Aussicht stellen. Staatsminister Nikos Pappas, einer der Verhandlungsführer, benannte in der Sonntagszeitung »Ethnos« die roten Linien Athens: »Wiederherstellung des Arbeitsrechtes, keine Senkung von Gehältern und Renten, ein strategischer und vollständiger Plan für das Schuldenproblem« - also eine Umstrukturierung. Athen hatte zuvor aber auch Zugeständnisse angekündigt, etwa bei der Einschränkung von Frühverrentungen.

Update 11.05 Uhr: Michelbach (CDU): Keine realistische Chance für Verhandlungen
Der CDU/CSU-Obmann im Bundestagsfinanzausschuss, Hans Michelbach (CSU), sieht keine realistische Chance mehr für einen Verhandlungserfolg in der Griechenland-Schuldenkrise. »Wer Griechenland um jeden Preis im Euro halten will, wird den Euro und Europa zerstören«, erklärte der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion am Sonntag in Berlin. »Die Folgen eines Grexit sind zumindest für die Eurozone verkraftbar.« Michelbach forderte die Europäische Zentralbank (EZB) auf, die Kredite für Griechenland sofort zu stoppen. Er wandte sich auch gegen Überlegungen, das zweite Kreditpaket ein neuerliches Mal zu verlängern, um Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen. Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen sei an eine Auszahlung der letzten Rate des laufenden Kreditprogrammes akets in Höhe von gut sieben Milliarden Euro ohnehin nicht zu denken. Dazu habe die griechische Regierung nicht die Voraussetzungen geschaffen.

Fahrplan vor dem Sondergifel

Berlin. Vor dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Montagabend hat die EU-Kommission der griechischen Regierung offenbar eine Art Fahrplan für die kommenden Monate übermittelt und ihre Kernforderungen bekräftigt. In Brüssel wurde das nicht grundsätzlich dementiert. Eurogruppenchef Dijsselbloem kündigte derweil eine Vorverlegung des Sondertreffens der Euro-Finanzminister zur Schuldenkrise am Montag an. Die Ressortchefs kämen in Brüssel nun um 12.30 Uhr statt um 15 Uhr zusammen, teilte er am späten Samstagabend via Twitter mit. Einen Grund für die Verlegung nannte er nicht.

Die Kommission pocht darauf, dass die SYRIZA-geführte Regierung jährlich in Höhe von 2,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entweder Mehreinnahmen erzielt oder den Etat kürzt - das entspricht 4,5 Milliarden Euro. Jeweils ein Prozent (1,8 Milliarden Euro) müssten im Rentensystem und durch höhere Mehrwertsteuereinnahmen erbracht werden. Wenn Griechenland in der kommenden Woche diesen Bedingungen zustimme und entsprechende Maßnahmen parlamentarisch umsetze, könnten 3,7 Milliarden Euro aus dem laufenden Kreditprogramm ausgezahlt und dessen Verlängerung bis mindestens September sowie eine finanzielle Aufstockung möglich sein. Fünf EU-Staaten, in denen dies nötig ist, würden bis Mitte Juli über die Zustimmung zu einer solchen Lösung entscheiden.

Athen: Uns und Gläubiger trennen 450 Millionen
Tusk: EU-Sondergipfel nicht »der letzte Schritt« / Auch IWF, EZB und Chef der Eurogruppe am Montagabend mit am Tisch / Griechische Zeitung »Efimerída ton Syntaktón«: Gläubiger versuchen »Panikklima« zu erzeugen - der Newsblog vom Samstag zum Nachlesen

Laut Athen drehte sich der Streit mit den Gläubigern zuletzt vor allem um geforderte Einschnitte bei den Renten und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Medikamente und Strom. Nach Angaben aus Athen ist man in den Verhandlungen aber letztlich nur noch bei Maßnahmen im Volumen von 450 Millionen Euro uneins. Die Gläubiger machten zusätzlich Einsparungen in dieser Höhe zur Bedingung für die Auszahlung weiterer Hilfen, sagte Staatsminister Alekos Flambouraris im griechischen Fernsehsender MEGA. Er dämpfte allerdings die Hoffnung auf einen Erfolg des Sondergipfels der EU am Montag. Die Gläubiger seien nicht bereit, Athen wie gefordert eine Reduzierung des Schuldenberges zuzusichern. »Hoffentlich akzeptieren sie es, aber sie werden es nicht machen, das ist meine persönliche Ansicht«, sagte der Staatsminister, der einer der engsten Berater des linken griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras ist.

Derweil hat Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis an Angela Merkel appelliert, sich an die Spitze einer Lösung im Streit um das von den Gläubigern blockierte Kreditprogramm zu stellen. »Die deutsche Kanzlerin steht am Montag vor einer entscheidenden Wahl«, so der Minister in einem Beitrag für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«. Entweder Merkel sorge dafür, dass es »eine ehrenvolle Einigung« mit einer Regierung gibt, »die die ‚Rettungspakete‘ abgelehnt hat und eine Verhandlungslösung anstrebt.« Oder die CDU-Chefin folge »den Sirenen aus ihrer Regierung«, die sie »ermutigen, die einzige griechische Regierung über Bord zu werfen, die prinzipientreu ist und die das griechische Volk mitnehmen kann auf den Pfad der Reform«, so Varoufakis. Er zeigte sich erneut zu Kompromissen der SYRIZA-geführten Regierung bereit: »Wir von unserer Seite aus werden mit dem Entschluss nach Brüssel kommen, weiter Kompromisse einzugehen, solange wir nicht gefragt werden, das zu tun, was die vorherigen Regierungen taten: neue Schulden zu akzeptieren unter Bedingungen, die wenig Hoffnung bieten, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen kann.«

Derweil spitzt sich die Finanzlage des Landes, das seit August 2014 keine Gelder mehr aus dem laufenden Kreditprogramm erhalten hat und seit Ende Januar mit den Gläubigern über die Forderungen verhandelt, die im Gegenzug für eine Freigabe erfüllt werden müssen, offenbar immer weiter zu. Athen muss bis zum 30. Juni 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Auch werden bald wieder Renten und Gehälter anweisen, es geht laut einem Zeitungsbericht um 2,2 Milliarden Euro. Die Gläubiger blockieren eineAuszahlung aus dem Kreditprogramm in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Selbst wenn es zu einer Einigung in der kommenden Woche kommt, dürfte diese aus technischen Gründen und weil politische Folgeabstimmungen anstehen aber bis Juli dauern.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) drohte inzwischen schon mit Konsequenzen für die Zeit nach einem möglichen Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. »Was nicht geht: aus dem Euro ausscheiden, seine Schulden nicht zurückzahlen, aber erwarten, dass die Mittel aus dem EU-Haushalt weiter fröhlich fließen«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Agenturen/nd

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