Mit Polen liegt das Gute so nah
Etwa 110 000 junge Leute hat das Jugendwerk im Jahr 2014 bei Reisen und Praktika unterstützt
Das in Potsdam ansässige Deutsch-Polnische Jugendwerk blickt auf ein »gutes Jahr« zurück. »Rund 110 000 Kinder und Jugendliche beider Länder sind in dieser Zeit einbezogen worden«, sagte Geschäftsführer Stephan Erp beim Jahresfest am vergangenen Donnerstag. Das Jugendwerk habe sich inzwischen die Berufsorientierung zum Schwerpunkt gewählt und vermittle gegenseitige Praktika. Auch beziehe es mittlerweile Weißrussland und die Ukraine in seine Tätigkeit ein. »In Zeiten, in denen es schwierig wird, ist es wichtig, Kontakte zu knüpfen und nicht abreißen zu lassen«, sagte Erp.
Der in Warschau arbeitende polnische Geschäftsträger des Jugendwerkes, Moras Pawel, ergänzte, entlang der Grenze würden vor allem außerschulische Projekte verwirklicht, ansonsten sei erkennbar, dass sich die Arbeit des Jugendwerkes stärker auf Schulen konzentriere.
Als »Begegnungssprache« bei den Veranstaltungen des Jugendwerkes setze sich immer stärker Englisch durch. Nur 2 000 Kinder in Brandenburg lernen die polnische Sprache, vor allem im Vorschul- und Grundschulbereich und freiwillig. Nach 2005 sei das Interesse von Eltern zurückgegangen, dass ihre Sprösslinge Polnisch lernen, heißt es im Bildungsministerium. Nun hat der Landtag im erst kürzlich verabschiedeten Doppelhaushalt 100 000 Euro bereitgestellt, um Klassenfahrten nach Polen zu unterstützen. »London, Paris und Rom werden als Ziele gewählt, dabei liegt mit Polen das Gute so nah«, sagte Thomas Kralinski, Leiter der Brandenburg-Vertretung beim Bund. »Wir sind das einzige Bundesland, das eine solche Unterstützung gewährt.« Wenn pro Klasse 1000 Euro als Fahrtkostenzuschuss gewährt würden, könnten immerhin 100 Klassenfahrten ins Nachbarland fördern.
Aus Sicht der Aktivisten richtet sich das Interesse von Jugendlichen eher auf Westeuropa, die USA oder Australien. Polen gilt unter deutschen Jugendlichen eher als exotisch. Auch für viele junge Polen ist Deutschland nicht mehr automatisch »Nummer 1«, seit die EU-Mitgliedschaft des Landes auch Jugendkontakte zu anderen europäischen Staaten erleichtert.
Vor 1990 hatten vor allem Westdeutsche kaum Beziehungen zum östlichen Nachbarn oder Anlass, Polen zu besuchen. Bei Ostdeutschen war das etwas anders, zumal in den 1970er und bis Anfang der 1980er Jahre zwischen Polen und der DDR visafreier Reiseverkehr herrschte.
Europa-Staatssekretärin Anne Quart lobte die Vielseitigkeit der Arbeit des Jugendwerks und wie unkompliziert Antragsteller dessen Unterstützung erhalten. Neben Weißrussland und der Ukraine werde auch Russland einbezogen. »Das hat nicht vordergründig mit der aktuellen Lage in der Ukraine zu tun«, betonte der Vertreter der Aktion Sühnezeichen, Thomas Heldt. Die »Ausdehnung« nach Osten sei vielmehr eine Reaktion auf die Schengen-Verträge und zeuge vom Wunsch, dass die EU-Außengrenze nicht nur trennen sollte. Der Vertreter des Landesjugendrings, Bernd Mones, erklärte bei dieser Gelegenheit, dass seine Organisation jedes Jahr ein deutsch-polnisches Jugendcamp veranstalte - abwechselnd in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück und in Polen.
1991 wurde das Jugendwerk gegründet. Brandenburgs damaliger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hatte sich dafür eingesetzt, dass Potsdam der deutsche Sitz wurde und ihm ein Haus unmittelbar neben der Staatskanzlei zur Verfügung gestellt. Der jeweilige brandenburgische Ministerpräsident ist traditionell Ansprechpartner der Bundesregierung für die Kontakte nach Polen. Insgesamt etwas weniger als zehn Millionen Euro stellen Deutschland und Polen für die Finanzierung bereit - annähernd die Hälfte dessen, was etwa dem Deutsch-Französischen Jugendwerk zur Verfügung steht. Den größeren Anteil trägt die deutsche Seite. Rund 3000 Anträge auf Fördermittel gehen pro Jahr ein.
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