Von Warentrennhölzern und anderen Torheiten

Der Schriftsteller und Sprachverhaltensforscher Max Goldt liest im Neuköllner »Heimathafen« aus seinem Werk

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.
Er ist, auch wenn er das vielleicht selbst nicht gerne hört, das, was man einen soignierten Herren nennen könnte. Er schreibt seit den 80er Jahren vor allem Kolumnen und eigenwillige Kurzprosatexte.

Er ist, auch wenn er das vielleicht selbst nicht gerne hört, das, was man einen soignierten Herren nennen könnte. Er schreibt seit den 80er Jahren vor allem Kolumnen und eigenwillige Kurzprosatexte. Er dürfte zu den begabtesten und populärsten Vorlesern gehören. Er gründete einst eine der vernünftigsten Popbands Deutschlands, mit der er auch erfolgreich war und zwei bis heute unvergessene Hits hatte, obwohl die Titel dieser Lieder nicht gerade zwingend darauf hindeuteten, dass es sich bei ihnen um genuinen Hitparadenstoff handelte (»Eine Königin mit Rädern untendran«, »Wissenswertes über Erlangen«). Gemeinsam mit dem Zeichner Stephan Katz gestaltet und betextet er Comic-Bände. Er ist ein scharfsinniger Sprachkritiker und Essayist, aber auch ein »Gebärdensammler und Sprachverhaltensforscher, ein Knigge für unsere Zeit«, der für die »Torheiten des modernen Alltags den genauesten Blick hat« (»Deutschlandradio Kultur«). Er ist Träger des renommierten Kleist-Preises. Er ist, dem Boulevard-Magazin »Spiegel« zufolge, »der einzige Humorist, auf den sich das ganze deutsche Feuilleton einigen kann«. Ein Satz, der wohl, so muss man mutmaßen, als Lob gemeint ist.

Die Rede ist von dem Schriftsteller, Sänger und Musiker Max Goldt. Der Bestsellerautor Daniel Kehlmann schrieb vor einigen Jahren, Goldts Texte gehörten zum am »feinsten Gearbeiteten, was unsere Literatur zu bieten hat«. Und es darf wohl als offenes Geheimnis betrachtet werden, dass Max Goldt niemals mit Tennissocken oder einer Strickkrawatte oder sonstwie unangemessen gekleidet auf einer Bühne erscheinen würde. Kurz: Auf Max Goldt war bisher Verlass.

Und obwohl er in seinen Prosawerken schon viele wichtige Fragen gestellt und wiederholt in der Öffentlichkeit Missstände wie das öffentliche Tragen von Glockenröcken oder gelber Polyesterhosen und andere schwer begreifliche Dinge angeprangert hat, wird er bis heute nicht zur ersten Riege der deutschsprachigen Dichter- und Denkerdarsteller gezählt, die mit ihrer Präsenz gern die Fernsehkanäle verstopfen und die Zeitungen vollmachen.

Nie hat man davon gehört, dass Max Goldt einen scharfzüngig formulierten Leitartikel in die »Süddeutsche« oder einen launigen Essay über die Unverzichtbarkeit eines neuen Verfassungspatriotismus in den »Spiegel« hineingeschrieben hat oder bei einer Friedens-, Freiheits-, Pro- oder Contrademonstration in der ersten Reihe zwischen Alice Schwarzer und Joachim Gauck marschiert ist. Überhaupt würde Goldt es, so ist zu vermuten, heftig von sich weisen, dass er so etwas Albernes tut wie »scharfzüngig formulieren« oder gar »marschieren«. Anzunehmen ist auch, dass sein Interesse an Verfassungspatriotismus bzw. dem, was so genannt wird, eher gering ist. Goldt kümmert sich lieber um wichtigere Dinge, z.B. um die Frage, wie eigentlich der »Fachbegriff für den Stab lautet, den man im Supermarkt aufs Laufband legt, um seine Waren von denen des folgenden Kunden zu trennen«. Oder er erklärt am Beispiel Berlin in zwei Sätzen, wie hierzulande Kulturpolitik funktioniert: »Hinter der Berliner Philharmonie befindet sich ein mehrere Meter langes verrostetes Ungetüm, welches von einem Künstler stammt, der schon in allerlei anderen Städten rostige Monstrositäten aufgebaut hat, worauf Berlin sagte: ›Wir brauchen auch so ein widerliches Rostding, sonst denkt die Kunstwelt, man sei hier nicht auf internationalen Rang erpicht.‹«

Heimathafen Neukölln, 24.6., 20 Uhr

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