Europa und Athen

INTERNATIONALE PRESSE

  • Lesedauer: 3 Min.

Magyar Nemzet, Ungarn

Neoliberale Lehren

Die Fähigkeit zur Lösungsfindung »unserer Familie« - das heißt, der EU - wirkt im Lichte der neuesten Erklärungen ihrer Führer geradezu tragisch: Nach sechs Jahren Krisenmanagement und fünf Monaten intensiver Verhandlungen ist das griechische Problem, das gerade einmal 1,5 Prozent der Bevölkerung und 2,5 Prozent der Staatsverschuldung in der EU betrifft, immer noch ungelöst. Also ist die Frage berechtigt: Was wäre denn los, wenn die vom Offshore-Großherzog Jean-Claude Juncker geführte Brüsseler Verwaltung, der bis zum Äußersten an neoliberalen Lehren festhaltende Währungsfonds und die wegen deutsch-französischer Gegensätze gelähmte Europäische Zentralbank es mit einer noch größeren Krise zu tun bekämen?

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz

Bittere Pille

Unverkennbar ist freilich das Bemühen von Tsipras, die bittere Pille, die das Fußvolk schlucken muss, attraktiv zu verpacken. Die Löhne von Staatsbeamten oder die Rentenansprüche sollen nicht beschnitten werden. In diesen beiden Dossiers beharrte SYRIZA auf Besitzstandwahrung. Die Parteiführung von SYRIZA gibt sich zuversichtlich, dass die eigene Fraktion (...) einen Kompromiss mit den Gläubigern mittragen würde.

El País, Spanien

Es geht um Wachstum

Es reicht nicht aus, die Forderungen der Gläubiger zu lockern. Es ist angebracht, dass das Wachstum Griechenlands (und damit auch die Investitionen in das Land) zur obersten Priorität erhoben werden. Die Erdrosselung der griechischen Wirtschaft wird nämlich - anders als viele glauben - nicht in erster Linie von den Schulden, sondern vom unzureichenden Wachstum verursacht.

La Vanguardia, Spanien

Die Not der Griechen

Auch bei den europäischen Partnern herrscht nicht allzu viel Zuversicht. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat in seiner Rolle des »Bad Cop« gefordert, dass das griechische Parlament auf jeden Fall vor dem Deutschen Bundestag über das mögliche Abkommen abstimmt. Selbst wenn es am Ende doch zu einem Pakt kommt, bleibt die Grundfrage, wie man ein Abkommen zur Refinanzierung der riesigen und nicht zurückzuzahlenden Schulden erreichen soll, die sich auf 180 Prozent des griechischen BIP belaufen. Die verarmten Griechen werden in Zukunft noch mehr Not leiden, während Europa ihnen noch mehr Opfer abverlangen wird, damit sie ihre Schulden zurückzahlen.

Libération, Frankreich

Besser schlechter Kompromiss

Die Szenarien einer griechischen Pleite, die in letzter Zeit aufblühten, hatten einen pädagogischen Effekt: Jede Seite hat sich überzeugen können, dass ein guter Bruch sehr viel teurer käme als ein schlechter Kompromiss. Wenn sich Griechenland bankrott erklären würde, würde dies mindestens sieben Jahre Unglück für sein Volk bedeuten. Es ist nicht so, dass der Verbleib in Europa ein auf Rosen gebetteter Weg wäre. Aber der Ausstieg hätte eine währungsmäßige Panik, einen drakonischen Rückgang der Kaufkraft und eine unerbittliche Haushaltssparpolitik über lange Jahre zur Folge.

La Stampa, Italien

Geopolitische Karte

Die Gründe, um Griechenland im Euro zu halten, sind nicht unbedingt wirtschaftlich, sondern politisch. Wenn man die Schwierigkeiten in der Türkei bedenkt, die Schwere der Krise im Mittelmeer und die weiter bestehende Zerbrechlichkeit der Balkan-Region, wäre es ein Luxus, den Europa sich nicht erlauben kann und die USA für unvernünftig halten, jetzt auch noch Griechenland zu verlieren und es damit de facto Wladimir Putin zu schenken. Tatsächlich hat Barack Obama genau diese Botschaft an die deutsche Kanzlerin gesendet: Nimm’ du die griechische Krise in die Hand, uns interessiert nur, dass sie gelöst wird. Griechenland hat sehr gut verstanden, um welches Spiel es hier geht. Um seine geopolitische Bedeutung zu unterstreichen, hat es die russische Karte ausgespielt.

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