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Das Gedächtnis des Weißen Goldes

Der Maler und Grafiker Roland Beier hat sich dem Porzellan zugewandt, wie eine aktuelle Schau in Zachow zeigt

  • Ralph Schipke
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Künstler Roland Beier, weithin bekannt durch seine Marx-Karikatur von 1990, hat das Porzellan entdeckt. Diese Neigung steckt ihm wohl in den Genen.

Also spülmaschinenfest sind seine neueren Arbeiten aus Porzellan keinesfalls, räumt Roland Beier ein. Der in Meißen geborene Künstler, 1990 schlagartig bekannt geworden durch seine Marx-Karikatur »Tut mir leid Jungs! War halt nur so ’ne Idee…«, ist derzeit vom Porzellan-Virus beherrscht. Im weltlichen und trotzdem wertgeschätztem »Meißner« samt Blümchenmuster steckt denn auch der Schlüssel zu den neuen filigranen und dekorativen Objekten aus Beiers Atelier in Berlin-Karolinenhof. Was bei den Kreativ-Experimenten alles entstand, zeigt er derzeit jedoch in Zachow bei Neubrandenburg.

Als der Meditationsmeister und buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh vor einigen Jahren schon über das Meditative am Geschirrspülen philosophierte, könnte er auch glatt Roland Beiers Porzellanobjekte im Sinn gehabt haben. Der weise Vietnamese schrieb nämlich: »Geschirr spülen ist wie einen kleinen Buddha baden. Das Profane ist das Heilige. Der Geist des Alltags ist der Geist Buddhas.«

Dass der in erster Instanz als Grafiker und Illustrator bekannte Beier Sinn für Humor hat, bewies er nicht nur mit jener Marx-Karikatur für die erste Westausgabe des Satiremagazins »Eulenspiegel«. Selbst fühlt er sich wegen dieses Geniestreichs allerdings etwas verfolgt und in einer künstlerischen Schublade versteckt. Spätestens als ein Journalist über Beier schrieb: »So ein großes Werk hat sein kleines Atelier nie wieder verlassen …«, musste sich der hochkreative und scheinbar ruhelose Mann neue Betätigungsfelder und Herausforderungen suchen. Heute steht Marx denn auch - solide gerahmt - in Beiers Werkstatt etwas in der Ecke. Ohne völlig aus dem Künstlerleben und von seiner Internetseite verbannt zu sein.

Beiers Brotarbeit besteht seit der Wende im Bebildern von Schulbüchern großer und bekannter Verlage. Er zeichnet mit so knappen, wie treffenden Strichen Weltgeschichte für Ethik- und Religionsbücher, illustriert scheinbar antiquiertes Latein für Klasse 10 bis 12 mit frischen Zeichnungen oder bebildert Englisch-Vokabelhefte reihenweise, macht Fremdsprache bildhaft einprägsam.

Bei dieser Arbeit ist er intensiv auch mit dem Buddhismus in Kontakt gekommen. Hinzu kamen Beiers familiäre Wurzeln in der Meißner Manufaktur mit den blauen Schwertern: Großvater und Mutter verschönten dort einst als Porzellanmaler wertvolles Porzellan mit virtuosen Blumenbuketts. Eine Reise nach Japan 2009 und das 300-jährige Jubiläum »Weißes Gold« in Meißen 2010 fehlten dann noch, um bei Beier endgültig den Porzellanvirus zu aktivieren, der ihm schließlich in den Genen gesteckt haben musste.

Zuerst sollte es ein im Meißner Kunstverein angedachter Jubiläums- Comic über die kunstvolle Alchemie des Johann Friedrich Böttger für August den Starken werden. Aber dann - just in der neuzeitlichen Finanzkrise - sah Beier Goldbarren im Fernsehen und hatte die Assoziation zur sächsisch-königlichen Wertschöpfung Anno siebzehnhundert und … das war es dann: Weißes Gold. Somit wurden 200 weiße porzellanene Barren für Beier und seinen Dresdner Künstlerfreund Kay Leonhardt zum Thema.

Doch nun begann für den Künsler das Experiment mit Material, Farbe, Form erst richtig. Porzellan sei viel, viel schwieriger als etwa Keramik, sagt Beier, denn die Porzellanmasse habe ein »Gedächtnis«. Und: »Für mich schloss sich ein künstlerischer Lebenskreis. Ich trete in großväterliche Fußstapfen und schaffe doch Unikate mit meiner eigenen Handschrift«, sagt er.

In Freiberg und der dortigen Porzellan GmbH fand Beier einen Partner, der ihn mit dem weißen Stoff ganz nach Künstlerwunsch versorgt. Beiers Vasen und Teller mögen zwar nicht spülmaschinenfest sein - doch sind es inspirierende, dekorierende und fantasieanregende Gegenstände, immer etwas »gegen den Strich«, gegen Glanz und Gloria des Porzellans »bemalt«. Im Lager des Geschirrproduzenten stieß er zum Beispiel auf eingestaubte Dosen, denen er mit leichter Hand eine künstlerische Wiedergeburt verschaffte. Beier sagt dazu: »Für mich eine Plattform zum Spielen.«

Roland Beiers Ausstellung »Freiraum 2 - Malerei und Porzellanobjekte zum Thema Musik« ist noch bis zum 18. Juli in der Dorfkirche Zachow zu sehen.

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