Mit Moskau nicht gut Kirschen essen

Große Mehrheit der Russen billigt eigene Sanktionen als Antwort für den Westen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Westen wolle ihr Land erniedrigen, meinen zwei Drittel der Russen. Sie stehen zu ihrem Präsidenten und billigen seine Politik.

Augen zu und durch. So in etwa könnte man die Ergebnisse von Umfragen zusammenfassen, die das Lewada-Zentrum, derzeit Russland einziges unabhängiges Meinungsforschungsinstitut Ende Juni durchführte. Kurz zuvor hatte Europa die wegen der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Sanktionen verlängert. Regierungschef Dmitri Medwedew antwortete daraufhin wie angekündigt »adäquat« und verkündete den gleichen Umgang mit dem Moskauer Embargo für EU-Lebensmittel. 66 Prozent der Russen hat er dabei auf seiner Seite. Das sind nur sechs Prozent weniger als im Sommer 2014, als der Austausch derartiger Unfreundlichkeiten begann.

Mit den Sanktionen, glauben zwei Drittel der Befragten, wolle der Westen Russland erniedrigen. 21 Prozent vermuten als Motiv den Versuch, das geopolitische Gleichgewicht wiederherzustellen, das durch den Anschluss der Krim an Russland gestört sei. Die Entwicklungen auf der Schwarzmeerhalbinsel verfolgen 54 Prozent »aufmerksam« oder »sehr aufmerksam«, den Beitritt selbst billigen 87 Prozent. Die Soziologen fragen danach seit Juni 2014 regelmäßig, die Werte haben sich seither kaum verschoben.

Von zwölf auf 49 Zähler stieg dagegen im gleichen Zeitraum die Anzahl derer, die eine Unabhängigkeit der Ostukraine befürworten. Der Anteil jener, die sich deren Beitritt zur Russischen Föderation wünschen, sank dagegen von 48 auf 19 Prozent.

Knapp die Hälfte - 49 Prozent der Befragten - gaben zu Protokoll, sie und ihre Familien hätten wegen der Sanktionen »keine ernstlichen Probleme«. Auch das deckt sich mit früheren Erhebungen. Weitere 13 Prozent haben »überhaupt keine Probleme«. Im Herbst waren es noch 35 Prozent. 53 Prozent erwarten auch in Zukunft keine oder nur unwesentliche Schwierigkeiten.

70 Prozent wollen, dass Kreml und Regierung ihre Politik fortsetzen, nur jeder fünfte wäre für einen Kompromiss. Dabei wird Europa zunehmend als möglicher Kriegsgegner wahrgenommen. 23 Prozent sehen das derzeit so. 2006 waren es ganze acht. Glaubten damals zwölf Prozent der Befragten, Europa nehme Russland als möglichen Gegner bei einem bewaffneten Konflikt wahr, sind es jetzt 30 Prozent.

Weitere 27 Prozent glauben, Europa halte Russland für »unterentwickelt, unberechenbar und aggressiv«. Vor zehn Jahren waren es nur 17 Prozent. Das, so Lewada- Vizedirektor Alexei Grashdankin, habe auch mit der Veränderung der Rhetorik westlicher Politiker zu tun, Die Russen würden schärfere Töne gegenüber ihrem Präsidenten Wladimir Putin als Missachtung des Landes interpretieren, das er repräsentiert.

Der kremlkritische Politikwissenschaftler Dmitri Oreschkin befürchtete angesichts der Umfrage einen Rückfall in den Wertekanon der Sowjetära, als sich Bürger mit der Größe ihres Staates über die eigene Nichtigkeit hinweg getröstet hätten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.