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Olten ist überall

Alex Capus lächelnd im Menschentreiben

  • Werner Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Fünf Nachbarn habe er, »die mit Vornamen Urs heißen«, schreibt Alex Capus in seinem Büchlein, das aus einer Auswahl seiner wöchentlichen Kolumnen für den »Oltner Stadt-Anzeiger« besteht. Eigentlich seien es sogar sechs, nur der Sechste wolle nicht, dass man über ihn schreibt. Man unterhält sich, grillt miteinander, streitet und verträgt sich wieder - und erzählt sich Geschichten über Gott und die Welt, vornehmlich die Schweiz und ihre Bewohner, ganz vorne an natürlich die Oltener selbst. Diese, kann man lesen, sind überall und zu jeder Zeit bereits dort, wenn ihr Chronist erst auftaucht: »Am Rheinfall in Schaffhausen, auf dem Pedalo am Comersee, in Venice Beach, Los Angeles, in Wuppertal oder Eindhoven, auf Samoa, in Tirana, Botswana, Daressalam - überall ist schon einer aus Olten da, der winkt und grüßt und sagt: ›Was machst du denn hier?‹«

Capus erzählt launige und skurrile Begebenheiten, schaut seinen Ursen aufs Maul und besticht durch genaue Beobachtungen, die bestens eingepackt sind in einen ihm eigenen Humor. Ein Humor, der weniger als ein »Geister- und Gottesleugner« (Jean Paul) auftritt, als mit mildem Lächeln dem Menschentreiben begegnet. Man erfährt aber auch noch viel Persönliches in diesen kleinen Texten: über Capus’ Frau und die vier Kinder, seine Gewohnheiten und seine Herkunft - zum Beispiel über den Großvater, der als Polizeitechniker in Paris gearbeitet und mit dem die Familie gemeinsam die Sommermonate in der Normandie verbracht hat. Hier lernt der kleine Junge das »Sirren der Gleise« kennen, als der Großvater ihm beibringt, das Ohr an die Gleise zu halten, um früh das Heranbrausen der Züge zu erkennen. Darin steckt viel Liebe und Zuneigung, aber auch Wehmut über einen unwiederbringlichen Verlust: »Heute fährt die kleine Bahn nicht mehr, die Schiene wurde abgebaut, und auf der Trasse wachsen Bäume. Das Bauernhaus hat mein Vater verkauft. Die Sommerferien verbringt unsere Familie nicht mehr gemeinsam in der Normandie, sondern in alle Winde verstreut.«

Alex Capus: Mein Nachbar Urs. Geschichten aus der Kleinstadt. Hanser. 128 S., geb., 12,90 €.

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