Nepal streitet über seine Verfassung

Vorliegender Entwurf präferiert parlamentarisches System mit Ober- und Unterhaus

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Nepal will den Friedensprozess abschließen und eine Verfassung verabschieden. Doch bei der Vorlage eines Entwurfs kam es zu lautstarken Protesten. Am heutigen Donnerstag folgt die nächste Sitzung.

Unter heftigen Protesten wurde der , vorläufige Entwurf einer neuen Verfassung in Nepals provisorischem Parlament vorgelegt. Nach den verheerenden Erdbeben im April und Mai sahen sich die politischen Parteien des Himalajastaates veranlasst, jahrelangen Streit zu begraben und den Abschluss des 2006 eingeleiteten Friedensprozesses anzuvisieren.

»Nach wiederholtem Hin und Her unterbreiten wir jetzt den ersten Entwurf der Verfassung.« Mit dieser Erklärung übergab Krishna Prasad Sitaula, der Vorsitzende des Entwurfskomitees, Dienstagnacht Parlamentssprecher Subash Chandra Nembang das Dokument. Sofort wurde deutlich, dass darüber noch lange keine Einmütigkeit besteht, als Abgeordnete der Madhesi-Parteien aufsprangen, lautstark protestierten und Kopien des Papiers zerrissen. Sie nannten diese erste Fassung undemokratisch, illegal, inakzeptabel, nicht progressiv genug. Und sie berücksichtige die Interessen bislang benachteiligter Bevölkerungsgruppen nicht.

Die Oppositionellen verwiesen auf ein Urteil des Höchsten Gerichtshofes, der die Streitpunkte ausgemerzt haben wollte, ehe der Entwurf das Licht der Welt erblickt. Dabei geht es vor allem um die vorgesehenen acht Provinzen. Deren Namen und Grenzen soll laut Beschluss des Entwurfsgremiums später eine Bundeskommission festlegen. Am heutigen Donnerstag folgt die nächste Sitzung des Parlaments, auf der über den Entwurf mit Sicherheit wieder gestritten wird. Er soll danach öffentlich debattiert werden, ehe es darüber zu einem unbestimmten Datum zur Abstimmung kommt.

Ramesh Lekhak, ein Mitglied des Entwurfskomitees, gab sich zuversichtlich und urteilte, das Dokument sei »ein Meilenstein« auf dem Weg zu einem neuen politischen Kapitel der Demokratie sowie zu einer Bundesrepublik mit inklusivem Charakter. Der Entwurf öffne das Tor zu einer neuen Verfassung, »die das Land politisch, sozial und ökonomisch transformieren wird«. Im Jahre 2006 war der Krieg der maoistischen Guerilla beendet und zwei Jahre später die Monarchie gestürzt worden. Seit 2008 bastelt man an einem Grundgesetz, das den neuen gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung trägt.

Laut Entwurf soll es ein parlamentarisches System mit einem Premierminister an der Spitze geben, der von den Abgeordneten gewählt wird. Das Oberhaus besteht aus 45 Abgeordneten und das Unterhaus aus 275 Parlamentariern. Den Staatspräsident bestimmt ein Wahlmännergremium. Ihm gehören Abgeordnete des Zentralparlaments und der Provinzparlamente an.

Bei der Bewältigung der Folgen der Erdbeben hatte sich erwiesen, dass die fehlende Verfassung ein effektives Arbeiten sehr behindert, weil viele Kompetenzen in einem solchen »Schwebezustand« nicht klar abgesteckt sind. Deshalb stellte die 16-Punkte-Vereinbarung der vier Hauptparteien vom 8. Juni über die Verabschiedung der Verfassung die Weichen, den 2006 eingeleiteten Friedensprozess endlich zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Die vier Hauptparteien sind der Nepali Congress (NC), die KP Nepals - Vereinte Marxisten und Leninisten (KPN-VML), die Vereinte KP Nepals - Maoistisch und die Madhesi-Front. NC und KPN-VML bilden die Regierungskoalition, die auch nicht immer einer Meinung ist.

Die Opposition besteht aus den Maoisten im Bunde mit der Madhesi-Front sowie 30 kleineren Parteien. Die Madhesi-Front vertritt große Teile der Bevölkerung des von Agrarwirtschaft geprägten Tieflandes, der Terai-Region im Süden. Sie ist überwiegend von Nachkommen von Migranten aus den indischen Bundesstaaten Bihar und Uttar Pradesh besiedelt. Die Madhesi-Front achtet darauf, dass die Verfassung die Interessen dieses Bevölkerungsteils berücksichtigt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -