Wegsperren ist für de Maizière ein »rechtlicher Fortschritt«
Bundesregierung will das Asylrecht verschärfen / Pro Asyl warnt vor massenhafter Inhaftierung von Flüchtlingen / Niedersachsens Innenminister kritisiert Gesetzvorhaben
Update 16.55 Uhr: Pro Asyl warnt vor massenhafter Inhaftierung von Flüchtlingen
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl rügt die von der Bundesregierung geplanten Reformen im Asyl- und Ausländerrecht. Künftig drohe vielen Flüchtlingen eine Inhaftierung in Abschiebegefängnissen, warnte der Verband am Donnerstag in Berlin. Das Gesetz, das am Abend abschließend im Bundestag beraten werden sollte, sehe zahlreiche Haftgründe vor. Künftig drohe etwa Flüchtlingen die Inhaftierung, wenn sie in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt hätten, aber trotzdem nach Deutschland weitergereist seien.
Dazu erklärte Pro Asyl: »Das ist äußerst problematisch, denn in vielen EU-Staaten an den Außengrenzen wie Italien, Griechenland, Ungarn, Bulgarien oder Malta leiden Asylsuchende unter Haft, Elend Obdachlosigkeit und werden dadurch zur Weiterflucht in andere EU-Staaten gezwungen, unter anderem nach Deutschland.«
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte unterdessen den von der Großen Koalition ausgehandelten Gesetzentwurf. Er halte den Abschnitt zur Ausweitung der Abschiebehaft »für völlig überzogen«, sagte Pistorius am Mittwochabend beim Osnabrücker Friedensgespräch. Es dürfe nicht sein, dass etwa ein Flüchtling in Haft genommen werden könne, weil er Geld an Schleuser gezahlt habe.
Wegsperren ist für de Maizière ein »rechtlicher Fortschritt«
Berlin. Der Bundestag berät am Donnerstag in zweiter und dritter Lesung über Verschärfungen im Asylrecht. Für langjährig Geduldete soll ein neues Bleiberecht eingeführt werden. Gleichzeitig soll es Änderungen im Abschieberecht geben, um Flüchtlinge schneller einzusperren und Abschiebungen schneller durchzusetzen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat diese geplante Verschärfung des Asylrechts am Donnerstag verteidigt. »Das Bleiberechtsgesetz, das wir heute verabschieden, hat zwei Botschaften: eine einladende und eine abweisende«, sagte de Maizière am Donnerstag im ARD-»Morgenmagazin«. »Die einladende ist, dass Zehntausende von Geduldeten, die hier leben, die integriert sind, die Deutsch können, jetzt eine sichere Bleibeperspektive bekommen.« Die abweisende Botschaft sei, dass der Aufenthalt derjenigen ohne Aufenthaltsstatus auch effektiv beendet werden könne.
Geplant sei auch, die Identität von Flüchtlinge mittels Handyüberwachung zu überprüfen. »Wer hier Schutz beantragt, da ist es nicht zu viel verlangt, von demjenigen zu verlangen, dass er seinen Namen sagt und wo er herkommt. Da können wir in Zukunft Handys auslesen, um festzustellen, woher er kommt«, sagte de Maizière. Eine Ausweisungsverfügung könne gegebenenfalls auch mit Abschiebehaft durchgesetzt werden. »Das ist ein rechtsstaatlicher Fortschritt«, sagte de Maizière. nd/Agenturen
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.